Politik

Schweden über Flüchtlinge: Sind am Ende unserer Kapazität

In Europa nimmt kein Staat gemessen an der Einwohnerzahl so viele Menschen auf wie Schweden. „Wir sind an der Grenze unserer Kapazität“, sagt Regierungschef Stefan Löfven.
22.10.2015 23:15
Lesezeit: 1 min

Zehntausende Flüchtlinge hat Schweden in den vergangenen Monaten mit offenen Armen empfangen. In Europa nimmt kein Staat gemessen an der Einwohnerzahl auch nur annähernd so viele Menschen auf. Doch der Zustrom überfordert das skandinavische Land zunehmend. „Wir sind an der Grenze unserer Kapazität“, sagt Regierungschef Stefan Löfven.

Zuletzt brennt in der Nacht zum Donnerstag ein früheres Altersheim im südschwedischen Schonen, in dem Flüchtlinge unterkommen sollten. Verletzte gibt es nicht, aber das Feuer ist ein weiteres Kapitel in einer beunruhigenden Brandserie im ganzen Land, die Schweden seit Wochen zusetzt und die Diskussionen verschärft.

Löfven ist schwer unter Druck. Und machte deshalb auch zuletzt in Brüssel klar: „Schweden nimmt nicht einfach immer weiter seinen Teil (an Flüchtlingen) auf, solange das andere Länder nicht auch tun.“ Nach Ansicht der Schwedendemokraten (SD) hat seine großzügige Asylpolitik das Land in eine Katastrophe geführt. Sie verlangen eine Volksabstimmung über die Flüchtlingsfrage – und eine Anzeigenkampagne, wie sie das Nachbarland Dänemark führt.

Mit strengeren Regeln hatte die dänische Regierung das Land gezielt weniger attraktiv für Flüchtlinge machen wollen. Im Gegensatz zu Schweden hatten dort anschließend nur ein paar Tausend Menschen Asyl gesucht. „Wir wollen mit Annoncen in ausländischen Zeitungen erklären, dass das Schlaraffenland, das sie in Schweden suchen, nicht länger existiert“, sagt SD-Parteichef Jimmie Åkesson.

Bis zu 190.000 Asylbewerber erwartet das Land nach einer neuen Prognose in diesem Jahr, noch einmal 40.000 mehr als maximal erwartet waren, darunter viele unbegleitete Kinder. „Die Situation ist beispiellos“, warnt Anders Danielsson, Direktor der Migrationsbehörde. Jede Woche kommen in diesem Monat 9000 Menschen an. Allein über Rostock und Sassnitz sind seit Anfang September nach vorsichtigen Schätzungen rund 15.000 Menschen nach Schweden gelangt.

Beheizte Zelte sollen einigen von ihnen im eisigen nordischen Winter einen Not-Unterschlupf bieten, doch bis zum Jahresende könnten trotzdem bis zu 45.000 Schlafplätze fehlen.

Die Kosten sprengen die Budgets von Staat und Kommunen schon jetzt. Und Erleichterung ist nicht in Sicht. Die Migrationsbehörde hat ausgerechnet, dass sie 29 Milliarden Kronen (rund drei Milliarden Euro) mehr benötigt als erwartet, um die Aufgabe auch im kommenden Jahr stemmen zu können. Nach Prognosen der Behörde könnten dann noch einmal mehr als 150.000 Menschen Schweden erreichen.

Einige Städte wie Malmö – Anlaufstelle Nummer eins für Neuankömmlinge in Südschweden – sagen inzwischen nicht mehr, wo sie die Asylbewerber unterbringen wollen. Damit nicht noch mehr geplante Unterkünfte in Flammen aufgehen.

Auch in Österreich und Slowenien herrscht Chaos bei der Versorgung der Flüchtlinge.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Gesundheit wird Geschäft: Apple verkauft mit der Apple Watch Hoffnung – nicht nur Technologie
27.04.2025

Die Apple Watch feiert ihr zehnjähriges Bestehen. Doch unter dem glänzenden Aluminium-Gehäuse der meistverkauften Smartwatch der Welt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Werbungskosten: Das alles können Sie von der Steuer absetzen
27.04.2025

Werbungskosten sind ein großer Hebel, um bei der Steuererklärung richtig Geld zu sparen. Erfahren Sie in diesem Ratgeber, was alles...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Handelskrieg vertreibt Bitcoin-Miner aus Asien – Kryptoindustrie unter Schock
27.04.2025

Mit Strafzöllen auf Importe aus Südostasien erschüttert Trump die globale Krypto-Lieferkette. Die Folgen: Chaos, Millionenverluste und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Fachkräftemangel 2025: Wenn Freelancer retten – aber selbst untergehen
27.04.2025

Freelancer halten den deutschen Arbeitsmarkt am Laufen – und geraten dabei selbst unter die Räder. Eine neue Studie zeigt: Sie sind...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Scheitern als Strategie: Wie ein US-Forscher Unternehmer lehrt, aus Fehlern Kapital zu schlagen
27.04.2025

US-Professor Dean Shepherd zeigt, wie Misserfolg zum unternehmerischen Wendepunkt wird – und warum nur wer fällt, wirklich wachsen kann.

DWN
Politik
Politik TAURUS für die Ukraine? Hoher Aufwand, fraglicher Nutzen
27.04.2025

Die Lieferung des TAURUS-Lenkflugkörpers an die Ukraine ist technisch derzeit problematisch, da ukrainische Flugzeuge das System weder...

DWN
Politik
Politik Waffenruhe Ukrainekrieg: Bringt der Tod von Papst Franziskus Frieden?
26.04.2025

Historisches Treffen bietet Chance für Durchbruch bei Friedensverhandlungen: Neben dem US-Präsidenten hat sich auch Frankreichs...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
26.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....