Politik

Offener Machtkampf in CDU wegen Merkels Flüchtlingspolitik

In der Union ist ein offener Machtkampf wegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik entbrannt. Es ist das erste Mal in Merkels Amtszeit, dass sich breiter Widerstand gegen sie formiert. Spekulationen über eine Ablöse von Merkel dürften jedoch verfrüht sein.
25.10.2015 00:13
Lesezeit: 2 min

Angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen hält Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Stimmung an der CDU-Basis nach einem Bericht Spiegel für „dramatisch“ schlecht. Den insbesondere von CDU-Generalsekretär Peter Tauber geschilderten großen Rückhalt in der Partei für die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel sehe er nicht, habe Schäuble in der jüngsten Sitzung des CDU-Präsidiums geäußert. Wenn das neue Asylpaket nicht bald Wirkung zeige, werde das Verhältnis der Parteispitze zur Basis Schaden nehmen.

Der Spiegel berichtet über eine angebliche Führungsdiskussion in der CDU. In dieselbe Kerbe schlägt die Bild-Zeitung, die schon während der Euro-Krise scharf gegen Merkel geschossen hatte. Hinter den spekulativen Informationen dürfte das Umfeld von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stecken. Vor dort waren auch die diversen Leaks während der Euro-Krise gekommen. Die meisten erwiesen sich am Ende als unzutreffend.

Daher ist es auch unwahrscheinlich, dass eine Ablöse Merkels in naher Zukunft wirklich stattfindet.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die von Merkel schon vor einiger Zeit als ihre Nachfolgerin auserkoren worden ist, verteidigte Merkel dementsprechend gegen die Kritik. Für die Flüchtlingskrise gebe es keine einfache Lösung. „Deshalb macht es Angela Merkel richtig: Schrittweise geht sie voran – mit verschärften Maßnahmen im Inneren und mit Verhandlungen auf internationaler Ebene“, sagte sie dem Nachrichtenmagazin Focus. Widerstand in den eigenen Reihen gegen Merkels Kurs dürfe nicht überbewertet werden: „Es gibt in der Tat diese kritischen Stimmen in der Union, aber eben auch sehr, sehr viele, die den Kurs der Vorsitzenden unterstützen.“

Allerdings ist es das erste Mal in Merkels Kanzlerschaft, dass sich Widerstand zusammenbraut. Den Unmut der Parteikollegen erregt vor allem die hartnäckige Weigerung Angela Merkels, über eine Sicherung der Grenzen nachzudenken. Das ist für gestandene Christdemokraten eine Zumutung, weil es in der CDU immer noch Politiker gibt, die der Meinung sind, der Staat müsse seine Bürger und auch die sich auf seinem Territorium aufhaltenden Ausländer schützen.

Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer sagte in radioeins vom RBB, einen Grenzzaun wolle „natürlich niemand“, und ein Zaun würde auch „niemanden aus Deutschland fernhalten können“. Trotzdem sieht Kretschmer in einem Zaun „möglicherweise am Ende die letzte Lösung“. Er sagte: „Das Problem hier ist doch, dass Europa gerade auf ganzer Linie versagt.“ Niemand halte sich an Verträge und Abkommen. „Es geht auf Dauer so nicht weiter.“

Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der CDU/CSU-Fraktion, Christian von Stetten (CDU), erklärte schriftlich: „Es gibt zahlreiche PKM-Mitglieder, die unsere Innen- und Rechtspolitiker aufgefordert haben, einen Antrag zum Thema Asyl/Flüchtlinge in die Fraktion einzubringen.“ Der PKM plane aber „derzeit keinen offiziellen PKM-Antrag zu dieser Frage“.

Die Bild-Zeitung hatte berichtet, eine Gruppe um von Stetten wolle Merkel per Beschluss zur Abkehr von der Politik der offenen Grenzen zwingen. Der PKM erarbeite einen Antrag für eine Grenzschließung. Laut „Bild“ sagte von Stetten, die „Prüfung einer Grenzbefestigung“ dürfe kein Tabu sein. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), sagte dem Blatt: „Ich hoffe, dass die Bundeskanzlerin vorher einsieht, dass die Politik der offenen Grenzen nicht fortgeführt werden kann.“

Aus Bayern kommen weiterhin klare Worte. Horst Seehofer wirkt diesmal glaubwürdig, wenn er sagt, es gehe ihm um eine Lösung und nicht um einen Machtkampf. Finanzminister Markus Söder sagte der Bild-Zeitung: „Die innere Sicherheit ist ein Kern- und Herzthema der Union. Wir wollen keine Variante der Grünen werden, sondern klare bürgerliche Alternative bleiben. Wenn wir an der Stelle versagen, werden sich AfD und andere auf Dauer etablieren. Das kann keiner wollen. Deshalb müssen CDU und CSU wieder zusammenkommen.“

 

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