Vier Mitglieder des EZB-Direktoriums haben sich in der Vergangenheit mehrmals vor wichtigen Entscheidungen mit Vertretern der Finanzbranche getroffen. So soll sich EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré im Mai mit Vertretern von Goldman Sachs und der Citigroup zu einem Abendessen getroffen haben, um sie über anstehende Entscheidungen der EZB zu unterrichten, berichtet die Financial Times.
Die Treffen fanden zum Teil zu einem Zeitpunkt statt, zu dem ihnen öffentliche Diskussionen über geldpolitische Themen untersagt waren, wie von der EZB am Dienstag zugänglich gemachte Dokumente zeigten. Darunter waren Gespräche mit Vertretern der Bankhäuser BNP Paribas, UBS, BlackRock, Goldman Sachs und Instituten wie dem Bruegel-Institut.
Die EZB war vor einigen Monaten in die Kritik geraten, als EZB-Direktor Benoit Coeure in London bei einer nicht-öffentlichen Veranstaltung vor Vertretern von Hedgefonds und großen Banken gesprochen hatte. Coeure hatte dort eine Beschleunigung der umstrittenen Anleihekäufe vor der Ferienzeit angekündigt. Das waren wichtige Informationen, denn das Kaufprogramm war zuletzt einer der starken Faktoren für die Kursentwicklung des Euro. Die Rede veröffentlichte die EZB aber erst am nächsten Morgen. Die EZB hat inzwischen ihre Transparenzregeln verändert.
Aus den Dokumenten geht unter anderem hervor, dass sich Coeure zwischen zwei Ratsitzungen am Morgen des 4. September 2014 mit Vertretern von BNP Paribas traf. Am gleichen Tag senkte die Notenbank ihre Zinsen. Insgesamt trafen sich EZB-Direktoren im Jahreszeitraum bis August 2015 zwölf Mal mit Vertretern der französischen Großbank. Dem Hedgefonds Moore Capital wurden sieben Treffen gewährt - darunter zwei mit EZB-Präsident Mario Draghi. Auch andere Hedgefonds, darunter Bridgewater Associates und Appaloosa Management, erhielten Zugang zum Führungskreis der Notenbanker.
In anderen Ländern sind Top-Notenbankern solche Treffen in der Woche vor einer Zinsentscheidung untersagt. Nach der Kommunikationspanne bei der EZB im Mai hatte die EU-Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly nicht mit Kritik gespart und die EZB aufgefordert, Schritte einzuleiten, um derartige Vorfälle künftig zu unterbinden. Die EZB hat inzwischen die Praxis gestoppt, den Medien Reden unter Sperrfrist zu geben. Zudem wurden die Regeln für die Auftritte ihrer Direktoren verschärft. Auch sollen nun kalendarische Listen ihrer Treffen nach jeweils drei Monaten veröffentlicht werden.