Technologie

Forscher können einzelne Krebszellen finden und isolieren

Lesezeit: 2 min
10.11.2015 12:16
Ein interdisziplinärem Forscherteam hat ein Verfahren entwickelt, mit dem einzelne Krebszellen im Blut nachgewiesen werden können: Noch bevor sie neue Tumore bilden. Zudem fanden die Forscher ein Protein, dass die Tumorbildung unterdrücken und teilweise auch zu einer Reduktion der Tumorbildung führen kann.
Forscher können einzelne Krebszellen finden und isolieren
Auf der Mikroarray-Plattform (rot) bleiben die Zielzellen (grün) haften (Bild: Michael Hirtz / KIT).

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Besonders gefährlich bei Krebs ist immer der Moment, in dem der Körper beginnt, Metastasen zu bilden. Wenn Tumore streuen, wandern Krebszellen durch den Blutstrom, bis sie sich in neuem Gewebe festsetzen. Dort können dann Metastasen entstehen. Je früher man diese entdeckt, umso schneller kann eingegriffen werden. Einem Forscherteam vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem Münsterschen Zentrum für Nanotechnologie (CeNTech) und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist es gelungen, mit einer neuen Methode sogar einzelne Krebszellen ausfindig zu machen, noch bevor sie sich im Gewebe festsetzen. Auf eine Krebszelle kommen rund eine Milliarde gesunde Zellen, deswegen ist es so schwierig, diese ausfindig zu machen. Doch mit dem neuen Verfahren können Krebszellen in Blutproben gefunden und isoliert werden.

„Mit unserer Methode erzielen wir eine sehr hohe Trefferquote: Über 85 Prozent der ausgefilterten Zellen sind tatsächlich Krebszellen“, so Michael Hirtz vom Institut für Nanotechnologie am KIT. „Zudem können wir die verdächtigen Zellen unbeschadet entnehmen und näher untersuchen.“ Die so herausgefilterten Tumorzellen zeichnen dann ein Bild davon, wie die Therapie anschlägt und wie die Krankheit zukünftig verlaufen wird. Nach der Entnahme der Krebszellen können dank einer genetischen Analyse dieser Krebszellen individualisierte Therapien entwickelt werden. Der Bluttest ist nicht nur für Patienten mit Krebs hilfreich. Sie können auch genutzt werden, um andere Krankheitsfälle zu bearbeiten: und zwar genau dann, wenn die verdächtigen Zellen selten im Blut oder in anderen Körperflüssigkeiten vorkommen.

Hintergrund der neuen Entwicklung ist eine so genannte Mikroarray-Plattform. Diese entsteht, indem die Wissenschaftler mit einem Kunststoffstempel aus der ‚Polymer Pen Lithografie‘ mikroskopisch kleine Oberflächenstrukturen auftragen, an denen die Zielzellen haften bleiben. Dann wird die Blutprobe über einen Mikrokanal über die Plattform hinweg geleitet.

An der Kanaldecke befindet sich zudem eine fischgrätenartige Struktur. Diese wirbelt die Flüssigkeit regelmäßig durch, damit dabei möglichst viele Zielzellen mit dem Array in Kontakt kommen. „Während die Tumorzellen an den präparierten Stellen nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip andocken, werden die übrigen Zellen einfach weggespült“, erklärt Hirtz das Prinzip.

Neben dem neuartigen Bluttest hat das Forscherteam jedoch eine weitere wichtige Entdeckung gemacht. So konnt festgestellt werden, dass im Labor CD44v6-spezifische Peptide nicht nur die Ausbreitung der Tumorzellen hemmen, sondern sogar zur Rückbildung bereits vorhandener Metastasen führen können. „Wir glauben, dass diese Peptide ein hohes Potenzial als Wirkstoff in der Tumortherapie haben, vor allem für die Behandlung von Pankreaskrebs mit seinen aggressiven Metastasen“, sagt Véronique Orian-Rousseau vom Institut für Toxikologie und Genetik (ITG) am KIT.

Das Protein CD44v6 „fungiert auf der Zellmembran als Ko-Rezeptor für Signalmoleküle, wodurch bestimmte Enzyme, die sogenannten Tyrosinkinasen wie etwa MET oder VEGFR-2, aktiviert werden“, so die Wissenschaftler. „Diese Enzyme beeinflussen maßgeblich die Aktivitäten von Tumorzellen.“ MET forciere ihre Vermehrung, Migration und Invasion. VEGFR-2 fördere die Angionese, also die Neubildung von Blutgefäßen, die zur Versorgung des Tumors notwendig sind. Mit vorklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass die Ko-Rezeptorfunktion von CD44v6 die treibende Kraft für die Metastasierung sei, so das Forscherteam.

In den Studien erwiesen sich kleine Abschnitte von CD44v6 sogar als erfolgreiche Hemmstoffe bei der Metastasenbildung: „Die Peptidbehandlung von tumortragenden Tieren führte zur Reduktion der Tumorlast und zur Hemmung der Metastasenbildung. Aber auch bereits vorhandene Metastasen bildeten sich zurück oder verschwanden gänzlich.“ Ende 2016 sollen klinische Studien zeigen, wie und ob die Peptide auch als Wirkstoffe bei menschlichen Patienten, hauptsächlich bei Bauchspeichelkrebs, eingesetzt werden können.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...