Politik

EZB für den Fall gewappnet, dass „uns der Himmel auf den Kopf fällt“

Die Europäische Zentralbank rechnet mit kritischen Zeiten, sieht sich aber gewappnet. Ein Problem: Die Staaten machen weiter hemmungslos Schulden und überlassen die Lösung der EZB.
10.12.2015 13:16
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Politik des extrem billigen Geldes stößt nach Einschätzung von EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch allmählich an Grenzen. „Wir haben zwar noch Munition. Aber die Wirkung wäre sehr viel größer, wenn die notwendigen Reformen getätigt würden“, sagte Mersch am Mittwochabend vor Journalisten in Frankfurt. „Ich will nicht in Abrede stellen, dass man eine gewiss Reformmüdigkeit in manchen Ländern spürt.“

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vor einer Woche beschlossen, ihre milliardenschweren Anleihenkäufe um ein halbes Jahr bis mindestens März 2017 zu verlängern. Kritiker werfen der Notenbank vor, mit der Geldflut die Lösung der strukturellen Probleme in vielen Euroländern auszubremsen.

Selbstverständlich sind wir uns im EZB-Rat der Risiken bewusst“, versicherte Mersch. „Wenn man solche Sondermaßnahmen ergreift, macht man das nicht blind, sondern wägt Kosten und Nutzen ab. Dass das nur Nutzen bringt, da machen wir uns nichts vor. Je länger das dauert, umso größer werden auch die Kosten werden.“ Die Mehrheit im EZB-Rat sei jedoch der Ansicht, dass die bisherigen Maßnahmen wirkten. Ohne Eingreifen der EZB „wären wir solide in die Deflation abgerutscht“.

Die Notenbank strebt mittelfristig eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an. Über ihr Kaufprogramm pumpt sie seit März monatlich 60 Milliarden Euro in die Märkte, zudem verharrt der Leitzins auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent. Das billige Geld soll die Konjunktur anschieben und die seit Monaten extrem niedrige Inflation anheizen.

Wenn uns der Himmel auf den Kopf fallen sollte, wären wir in der Lage, auf zusätzliche Munition zurückzugreifen“, sagte Mersch. „Man darf aber nicht vergessen, dass wir erst bei der Hälfte unsere Programms angekommen sind und dass noch immer eine ganze Herde von Milliarden darauf wartet, von uns aufgekauft zu werden.“ Werden Anleihen fällig, will die EZB diese Gelder künftig wieder in neue Papiere stecken. „Das, was wir reinvestieren werden bis 2019, kann man auf 320 Milliarden Euro beziffern“, sagte Mersch.

Für unbegründet hält Mersch die Aufregung um angebliche Geheimkäufe der nationalen Euro-Notenbanken. „Es ist unwahr, dass wir nicht wissen, was geschieht. Wir werden wöchentlich informiert, was die nationalen Zentralbanken kaufen. Wir werden monatlich Wertpapier für Wertpapier, ISIN für ISIN über die Käufe informiert.“

Den nationalen Notenbanken sind im Rahmen der „Anfa“-Vereinbarung (Agreement on Net Financial Assets) in gewissem Umfang eigene Wertpapiergeschäfte erlaubt. Weil die Bestände nach Berechnungen eines Berliner Finanzwissenschaftlers in den Jahren 2006 bis 2012 nach oben schnellten, steht der Vorwurf im Raum, die Notenbanken finanzierten Staaten verbotenerweise mit der Notenpresse.

Dies könne ausgeschlossen werden, betonte Mersch: „Beim Thema Staatsfinanzierung machen wir ein permanentes Monitoring.“ Die Anfa-Bestände der nationalen Notenbanken erklärten sich unter anderem durch deren Engagement in Sachen Pensionsvorsorge. Fünf nationale Zentralbanken verwalteten zudem traditionell Wertpapierbestände für Drittländer und internationale Institutionen, einige hätten in Ermangelung eigener Goldreserven ein Investmentportfolio aufgebaut. Zuletzt lag das Volumen der Anfa-Papiere bei 575 Milliarden Euro.

Nach ersten kritischen Berichten zu Anfa hatte in der vergangenen Woche auch EZB-Präsident Mario Draghi betont, man könne sicher ausschließen, dass es sich bei den Käufen der nationalen Euro-Notenbanken um monetäre Staatsfinanzierung handele.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Politik
Politik Haushaltsstreit 2025: Klingbeils Pläne, Kritik und offene Milliardenlücken
08.07.2025

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den Haushaltsentwurf für 2025 und die Finanzplanung bis 2029 in den Bundestag eingebracht....

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Konzern behauptet Spitzenposition im deutschen E-Auto-Markt
08.07.2025

Der VW-Konzern setzt im deutschen E-Auto-Markt neue Maßstäbe. Die aktuellen Zahlen zeigen eine eindrucksvolle Entwicklung – doch der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Europas Industrie und niemand wehrt sich
08.07.2025

Chinas Staatskonzerne zerlegen Europas Industrie Stück für Stück – doch Berlin, Brüssel und Paris liefern nur leere Worte. Während...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dow schließt Chemieanlagen: Was das für Deutschland bedeutet
07.07.2025

Der US-Konzern Dow zieht sich teilweise aus Mitteldeutschland zurück – und das hat Folgen. Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt...

DWN
Politik
Politik Folgekosten in Millionenhöhe: Corona-Krise und die Schattenseite staatlicher Beschaffung
07.07.2025

Milliardenkosten, ungenutzte Schutzmasken und politische Spannungen: Die Folgen der Maskenkäufe in der Corona-Krise wirken bis heute nach....

DWN
Politik
Politik Kontrollen an der Grenze zu Polen: Grenzkontrollen jetzt beidseitig aktiv
07.07.2025

Mitten in der Urlaubszeit zieht Polen die Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland an. Reisende spüren die Auswirkungen sofort –...

DWN
Politik
Politik Trump droht BRICS-Staaten mit neuen Strafzöllen
07.07.2025

Trump verschärft den Handelsstreit mit den BRICS-Staaten drastisch. Seine angekündigten Strafzölle könnten globale Lieferketten...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell auf Höhenflug trotz drohender US-Handelszölle
07.07.2025

Der DAX überrascht mit einem starken Anstieg über 24.000 Punkte – und das trotz drohender US-Zölle. Wie reagieren Investoren auf die...