Die Ölpreise sind im freien Fall: Auch am Dienstag verbilligte sich Nordseeöl der Sorte Brent dramatisch und kostete mit 30,43 Dollar zeitweise 3,6 Prozent weniger als am Vortag und war damit so günstig wie seit April 2004 nicht mehr. Aktuell liegt der Preis für ein Fass der Sorte Brent bei rund 31,70 Dollar. Seit Jahresbeginn ist der Preis nunmehr um über 15 Prozent gefallen. Auch US-Leichtöl der Sorte WTI verlor weiter und notierte mit einem Zwölf-Jahres-Tief von 30,41 Dollar zwischenzeitlich 3,2 Prozent niedriger.
Morgan Stanley-Analyst Adam Longson hält Rohölnotierungen im Bereich um 20 Dollar für möglich. Er verweist dabei insbesondere auf die wirtschaftliche Abkühlung in China. Der Aufstieg des Landes sei für den Anstieg der weltweiten Nachfrage im vergangenen Jahrzehnt verantwortlich gewesen und sei nun der Hauptgrund für Nachfragerückgang und Überangebot. Während die von Peking betriebene schrittweise Abwertung des Yuan die heimische Exportindustrie begünstige, verteuere sie Importe von in Dollar notiertem Öl und schwäche so die Nachfrage weiter. „Ölpreisszenarios von 20 bis 25 Dollar sind allein schon aufgrund der chinesischen Währungsabwertungen möglich“, so Longson.
Zahlreiche Analysten senkten ihre Prognosen - einige sehr drastisch. So hält Standard Chartered nunmehr einen Rückgang des Preises auf zehn Dollar für möglich. Erst dann würden die Anleger begreifen, dass der Preisverfall zu weit gegangen sei. Knapp über zehn Dollar lag Brent zuletzt Ende der 1990er Jahre. Barclays senkte seine durchschnittliche Preisprognose für 2016 auf 37 Dollar von 60 Dollar. „Je schneller der Preis verfällt, desto rascher wird er voraussichtlich die Talsohle erreichen und sich erholen", erklärte Analyst Ric Spooner vom Brokerhaus CMC Markets in Sydney.
Als Hauptgrund für den Preisverfall gilt neben den Spekulationen an den Terminmärkten die Ölschwemme weltweit. Durch den Schieferölboom in den USA und den Verzicht der Opec auf die Begrenzung der Fördermengen ist das Überangebot zuletzt deutlich gewachsen. Allerdings erwarten viele Analysten, dass die Produzenten mit hohen Förderkosten wie in den USA nach und nach aufgeben werden. Hinweise darauf könnten die Bestandsdaten aus den USA geben. Am späten Abend steht der Bericht des Branchenverbandes API auf den Terminkalendern. Zuletzt waren die Bestände an Rohöl schon gefallen, die Benzinbestände aber kräftig gestiegen.