Politik

US-Regierung gibt Zahlung von 1,7 Milliarden Dollar an den Iran frei

Lesezeit: 3 min
17.01.2016 18:17
Die USA haben 1,7 Milliarden Dollar an den Iran freigegeben. Das Geld war im Zuge der Sanktionen eingefroren worden. Teheran erwartet nach dem Ende der Sanktionen einen Wirtschaftsboom und hofft auf eine Dynamik wie früher in den Tigerstaaten Asiens.
US-Regierung gibt Zahlung von 1,7 Milliarden Dollar an den Iran frei

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nach der Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran gibt die US-Regierung 1,3 Milliarden Dollar an die Regierung in Teheran frei. Wie das US-Außenministerium am Sonntag in Washington mitteilte, setzt sich die Summe aus 400 Millionen Dollar eingefrorener Mittel und 1,3 Milliarden Dollar Zinsen zusammen. Über das Geld war jahrelang vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag gestritten worden. Das Geld stammt aus einem Fonds zum iranischen Waffenkauf in den USA, der seit 1981 eingefroren war.

Der Iran erwartet nach dem Ende der Sanktionen einen Wirtschaftsboom, wie ihn zuletzt nur die Tigerstaaten Asiens gesehen haben. Die Ankündigung der Islamischen Republik, 114 Airbus-Flugzeuge kaufen zu wollen, könnte nur ein Vorbote für die lukrativen Geschäfte sein, auf die auch Industrie und Handel in aller Welt setzen. Mit 80 Millionen Einwohnern und einer Wirtschaftskraft von etwa 400 Milliarden Dollar ist der Iran die größte Volkswirtschaft, die seit dem Zerfall der Sowjetunion vor über zwei Jahrzehnten in das globale Wirtschafts- und Handelssystem zurückkehrt.

Irans Präsident Hassan Ruhani äußerte am Sonntag die Erwartung auf einem Wachstumsschub. Er rechne mit einem Wachstum um fünf Prozent im ab März beginnenden neuen Jahr. "Die iranische Wirtschaft ist nun frei von den Ketten der Sanktionen, und es ist an der Zeit, aufzubauen und zu wachsen", verbreitete Ruhani über den Kurzmitteilungsdienst Twitter. Nur Stunden zuvor hatte sein Verkehrsminister die Pläne für den Flugzeugkauf angekündigt. Dem europäischen Flugzeugbauer Airbus könnte das eine Bestellung im Auftragswert von über zehn Milliarden Dollar bescheren.

Doch Handel und Investitionen im Iran dürften sich auf absehbare Zeit noch mit großen Hindernissen konfrontiert sehen. Nur einige davon sind die verschuldeten iranischen Banken, das Rechtssystem, Korruption und ein starrer Arbeitsmarkt. Viele ausländische Firmen werden wohl aus der Sorge heraus mit Investitionen zögern, dass die Sanktionen zurückkehren könnten, sollte Iran doch noch gegen die Abmachungen des Atom-Abkommens verstoßen.

Vorerst macht die Aufhebung der Sanktionen aber den Weg frei, die hohe Nachfrage der Iraner nach Konsum- und Investitionsgütern zu bedienen, an die sie unter den Strafmaßnahmen nur mit Mühen zu bezahlbaren Preisen gelangen konnten. Das reicht von Flugzeugen hin zu Fertigungsmaschinen der Industrie, Arzneimitteln und Konsumgütern wie Kosmetikartikel und Marken-Bekleidung. Auf einen Schlag wird das Land mehr Geld haben, um für seine Importe zu bezahlen, weil die eingefrorenen Auslandsguthaben wieder freigegeben werden. Die Angaben zur Höhe der Summe schwanken zwischen 29 und 100 Milliarden US-Dollar.

Profitieren wird Irans Finanzkraft auch von einer Zunahme der Erdöl-Ausfuhren, da das Land nun wieder den Weltmarkt beliefern darf. Der geringe Öl-Preis und die Notwendigkeit, veraltete Anlagen zu erneuern, dürften den Anstieg der Erlöse aus dem Öl-Geschäft vorerst aber in kleinem Rahmen halten.

Präsident Ruhani gab vor dem Parlament am Sonntag das Ziel aus, in den nächsten fünf Jahren 30 bis 50 Milliarden Dollar ausländisches Kapital in das Land zu locken. Das Wirtschaftswachstum, das derzeit nahe Null beträgt, soll damit mittelfristig auf bis zu acht Prozent steigen. Dieses Niveau haben selbst die asiatischen Tigerstaaten nur in ihren besten Jahren erreicht.

Volkswirte halten diese Wachstumserwartungen für überzogen, so lange schwierige Wirtschafts- und Arbeitsmarktreformen ausbleiben. Aber die Aufhebung der Sanktionen dürfte zumindest eine Zunahme des Wachstums anstoßen. Analysten schätzen, dass ein Drittel der iranischen Industrie durch die Sanktionen lahmgelegt war. Ein Teil davon dürfte nun die Produktion wieder ankurbeln, um sich Export-Märkte zurückzuerobern.

Das könnte auch eine Verschiebung der wirtschaftlichen Kräfte in der Golf-Region nach sich ziehen. Über das vergangene Jahrzehnt bevorzugten Handels- und Investmentströme die arabischen, auf den Öl-Export konzentrierten Golf-Staaten, darunter Saudi-Arabien mit seiner Wirtschaftskraft von etwa 650 Milliarden US-Dollar. Doch das Wachstum in diesen Staaten schwächelt, weil deren Staatsfinanzen unter den geringen Ölpreisen leiden. Iran könnte nun aufholen, da es eine weitaus breiter aufgestellte Wirtschaft hat, die auch große Sektoren beispielsweise in der wie Landwirtschaft und im Autobau beinhaltet.

Profitieren könnten vor allem europäische Unternehmen. Das Handelsvolumen Irans mit der Europäischen Union (EU) betrug 2014 rund 7,6 Milliarden Euro. Drei Jahre davor, bevor die Sanktionen das Land trafen, war es fast viermal so hoch. Dieser Umfang könnte nun wieder angesteuert werden. US-Unternehmen könnten das Nachsehen gegenüber ihren europäischen Konkurrenten haben: Die USA wollen Sanktionen aus früheren Zeiten aufrechterhalten, die sie verhängt hatten, weil sie Iran Verstöße gegen die Menschenrechte oder die Unterstützung von Terrorismus vorwarfen.

Größere Investitionen ausländischer Unternehmen im Iran dürften länger benötigen als die Wiederaufnahme des Handels. Doch selbst Industriezweigen wie dem Autobau dürfte es schwerfallen, dem Reiz des großen Verbrauchermarktes zu widerstehen. Frankreichs Autobauer Peugeot Citroen etwa hat schon versucht, über eine Wiederaufnahme der Produktion im Iran zu verhandeln, auch Renault hat entsprechende Anstrengungen unternommen. Auch der deutsche Daimler -Konzern will mit seiner Nutzfahrzeuge-Sparte zurückkehren. Man sei in Gesprächen mit möglichen iranischen Partnern, sagte vorige Woche eine Sprecherin der Daimler-Sparte.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...