Am Donnerstag veröffentlichte die Credit Suisse zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder einen Konzernverlust. Dieser beträgt knapp 3 Milliarden Franken und sei vor allem Wertberichtigungen und gestiegenen Kosten für Umstrukturierungsmaßnahmen geschuldet, teilte die Bank mit. Problematisch ist, dass es aber auch ohne diese Sondereffekte zu einem Defizit in Milliardenhöhe gekommen wäre, was auf strukturelle Schwierigkeiten im operativen Geschäft hindeutet.
Besonders zum Jahresverlust beigetragen hat das vierte Quartal 2015, in dem ein Reinverlust von rund 5,8 Milliarden Franken angefallen ist. Der Geschäftsertrag im Schlussquartal lag mit etwa 4,2 Milliarden Franken überdies nicht nur deutlich unter dem des vergangenen Jahres, sondern auch unter den Erwartungen von Analysten. Zu denken gibt außerdem, dass die Bank immer noch unterkapitalisiert ist. Zwar ist das regulatorische Kapital im vierten Quartal von 29 Milliarden auf knapp 33 Milliarden Franken gestiegen – die Steigerung von rund 4 Milliarden bedeutet aber, dass sich ein großer Teil der von den Aktionären eingesammelten 6,4 Milliarden Franken aufgelöst hat. Zudem geht der Finanzblog „Inside Paradeplatz“ davon aus, dass auch nach dem Abschreiber vom Donnerstag immer noch fast 5 Milliarden Franken an abzuschreibendem Goodwill in den Büchern verbleiben.
Das operative Defizit der Credit Suisse zeugt auch davon, dass sich die Bedingungen für die Schweizer Bankenbranche seit der Finanzkrise deutlich verschärft haben. Die Politik setzte seitdem nicht nur höhere Eigenkapitalquoten durch, sondern erließ auch strenge regulatorische Bestimmungen, die das Geschäft verteuern. So haben sich die Kosten für Konto-Eröffnungen laut Berechnungen von PAZ Consultants seit den 1990er-Jahren verzwanzigfacht. Außerdem müssen Banker bei ausländischen Kunden mit den Steuergesetzen der Herkunftsländer vertraut sein. Das hat dazu geführt, dass sich die Zahl der Nationalitäten, die ein Berater betreuen kann, reduziert hat: bei Société Générale seien es durchschnittlich nur noch drei, beim Genfer Vermögensverwalter Pictet zwei und bei der UBS gar nur noch eine, schreibt die Handelszeitung.
Die gestiegene Regulation und die von der Schweiz im Steuerstreit mit anderen Ländern eingeschlagene „Weißgeldstrategie“ sind auch ein Grund, warum ältere und meist besser bezahlte Banker unter Druck geraten. Da zur Einhaltung der Vorschriften überproportional viele Rechtsberater und Compliance-Manager benötigt werden, müssen Senior-Banker Lohnkürzungen akzeptieren oder verlieren sogar ihre Stelle.
Um Kosten einzusparen könnte es in der Schweizer Bankenlandschaft vermehrt zum Abbau von Arbeitsplätzen kommen. „Angesichts des besonders schwierigen Umfelds haben wir uns im vierten Quartal 2015 dazu entschieden, die Umsetzung unseres Kostensenkungsprogramms bankweit zu beschleunigen“, sagte etwa Credit Suisse-Chef Thiam am Donnerstag. Der Abbau von 4000 Arbeitsplätzen in den nächsten drei Jahren – davon jährlich 500 bis 600 in der Schweiz – soll zu Einsparungen von jährlich 500 Millionen Franken führen.
Zudem belastet der starke Frankenkurs das Vermögensverwaltungsgeschäft. Dieses steuert fast die Hälfte der Gesamterträge des Schweizer Bankenwesens bei. Einen Großteil ihrer Infrastruktur unterhalten die Vermögensverwaltungseinheiten in der Schweiz, bieten ihre Dienstleistungen aber grenzüberschreitend an. Dadurch fallen Kosten vornehmlich in Franken und Erträge in den schwachen oder volatilen Währungen der jeweiligen Länder an, was die Ertragsbasis schmälert. Anders als für die auf das Kundengeschäft spezialisierten Kantonalbanken gilt für Konten von Vermögensverwaltern bei der Nationalbank zudem eine geringere Freigrenze, bis zu der Einlagen vor den Negativzinsen in Höhe von minus 0,75 Prozent geschützt sind.
Die Aussichten für 2016 haben sich nicht zuletzt wegen gestiegener Risiken im globalen Finanzsystem eingetrübt. Der Schweizer Leitindex SMI hat allein seit Jahresbeginn schon rund 700 Punkte eingebüßt. Besonders die nachlassende Konjunktur in China und die Wertschwankungen des Yuan könnten sich als Belastung erweisen. Denn die größten Schweizer Banken UBS und Credit Suisse haben ihre Positionen in der Region Asien-Pazifik in den letzten Jahren ausgebaut und haben sich dadurch stark exponiert.