Politik

Ukraine: Parlament scheitert bei Wahl eines Regierungschefs

Das Parlament in Kiew hat es am Dienstag nicht geschafft, einen neuen Regierungschef zu wählen. Die Parteien sind zerstritten: Der designierte Premier spricht kein Englisch, will aber mit dem IWF kooperieren. Poroschenko dagegen will offenbar mehr Unabhängigkeit von den Gläubigern.
12.04.2016 19:11
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Einsetzung einer neuen ukrainischen Regierung hat sich am Dienstag zu einer nervenaufreibenden Hängepartie entwickelt. Der Wunschkandidat von Präsident Petro Poroschenko für das Amt des Ministerpräsidenten, Wolodimir Groisman, drohte wegen des Streits über Kabinettsposten mit der Absage seiner Kandidatur. Das Parlament beendete am Abend nach zäher Debatte seine Sitzung, ohne dass ein Nachfolger für den zurückgetretenen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk gewählt wurde.

Eigentlich hätten die Abgeordneten Jazenjuks Rücktritt per Parlamentsvotum bestätigen sollen. Wegen des Gerangels um die Bildung einer neuen Regierung wurde die Abstimmung aber abgesagt. Am Mittwoch sollte sich das Parlament erneut mit der Angelegenheit befassen.

Unklarheit herrschte darüber, ob Poroschenkos Wunschkandidat Groisman weiter für das Amt an der Regierungsspitze zur Verfügung stand. Offenbar geht ihm Poroschenkos Machtsanspruch zu weit. Groisman hatte noch am Montagnachmittag verkündet, dass er das Amt annehmen wolle. Er sei gut geeignet, „weil ich 24 Stunden am Tag arbeiten kann“, sagte der erst 38 Jahre alte, bisherige Parlamentspräsident.

Bei einem Treffen der Präsidentenpartei am Montagabend stemmte sich Groisman dann aber gegen mehrere Kabinettskandidaten, weil sie den vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verlangten Sanierungskurs nicht mittragen wollten. Bei einem weiteren Parteitreffen am Dienstag konnte Poroschenko Groisman letztlich nicht zum Einlenken bewegen. „Die Gemüter sind erhitzt und die Gespräche haben eine Sackgasse erreicht“, erklärte ein Vertreter von Poroschenkos Partei, Sergij Leschtschenko.

Beobachter vermuten, dass Poroschenko seine Macht ausweiten würde, wenn er den von ihm erwählten Ministerpräsidenten installieren könnte. Groisman solle nicht die „volle Kontrolle“ über das Kabinett erhalten, hatte ein Parteivertreter gesagt.

Groisman strebt eine enge Bindung der Ukraine an die EU an. Selbst wenn er sich bereit erklären sollte, für das Amt des Regierungschefs zu kandidieren, wäre ihm die erforderliche Mehrheit im Parlament nicht sicher. Für seine Wahl bräuchte er Stimmen der Partei von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und anderer von der EU unterstützter Kleinparteien, die dafür allerdings Posten verlangen.

Jazenjuk hatte am Sonntag seinen Rücktritt verkündet und damit die Konsequenzen aus einer monatelangen Regierungskrise gezogen. Mitte Februar hatte er trotz einer Rücktrittsaufforderung durch Poroschenko noch ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden. Allerdings war seine Regierungskoalition danach zerbrochen.

Jazenjuks Partei war bei der Parlamentswahl im Oktober 2014 zweitstärkste Kraft im ukrainischen Parlament geworden. In Umfragen liegt sie derzeit aber nur bei zwei Prozent. Die Wähler und Präsident Poroschenko machen Jazenjuk für den erfolglosen Kampf gegen die Korruption und für die anhaltende Wirtschaftskrise verantwortlich.

Die Ukraine hängt am Tropf des IWF. Der will neue Notkredite aber erst gewähren, wenn in Kiew eine neue prowestliche Regierung übernommen hat, die Auflagen zu erfüllen bereit ist.

 

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen: Deutschlands Pleitewelle hält an – ein Blick auf Ursachen und Folgen
11.07.2025

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter – wenn auch etwas langsamer. Trotzdem deuten aktuelle Daten auf tiefgreifende...

DWN
Politik
Politik Trump kündigt Erklärung zu Russland an – neue Dynamik oder taktisches Manöver?
11.07.2025

Ein Treffen in Malaysia, neue russische Vorschläge und Trumps Ankündigung einer großen Russland-Erklärung: Zeichnet sich eine Wende im...