Hans-Edzard Busemann von Reuters erläutert die überraschende Wende im Kampf um die Wiederzulassung von Glyphosat in der EU:
Die Wiederzulassung des weltweit meistgenutzten Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in der Europäischen Union steht auf der Kippe. Die SPD-geführten Ministerien lehnten die Verlängerung der im Juni auslaufenden Genehmigung des umstrittenen Herbizids ab, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am Donnerstag Reuters und verwies auf ungeklärte gesundheitliche Risiken. Damit wird sich Deutschland aller Voraussicht nach bei der für kommende Woche erwarteten Abstimmung im Ständigen Ausschuss der EU der Stimme enthalten. Frankreich hat bereits angekündigt, die Zulassungsverlängerung abzulehnen. In Kreisen des EU-Parlaments wie auch in deutschen Regierungskreisen hieß es, es sei unklar, ob die erforderliche Mehrheit in dem Gremium zustande kommen werde.
"Dass Glyphosat negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, ist nachgewiesen. Das muss bei der Zulassung umfassend berücksichtigt werden", sagte Hendricks. Es sei derzeit aber auch umstritten, ob gegen das Unkrautvernichtungsmittel zudem gesundheitliche Bedenken zu Recht oder nicht bestünden, sagte sie mit Blick auf den Verdacht, Glyphosat könne Krebs auslösen. "Vor dem Hintergrund nach wie vor bestehender Unsicherheiten über die gesundheitlichen Risiken von Glyphosat werden die SPD-geführten Ressorts einer Verlängerung für die Zulassung von Glyphosat nicht zustimmen", sagte die SPD-Politikerin weiter.
Bislang hatte Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) signalisiert, er werde einer Wiederzulassung zustimmen. Sollten die Ministerien kein Einvernehmen in der Glyphosat-Frage erreichen, wird sich Deutschland bei der Abstimmung im Ständigen Ausschuss enthalten. Nach den Regularien müssen in dem Gremium mindestens 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren, für die Zulassungsverlängerung stimmen.
Nach dem Reuters vorliegenden EU-Entwurf soll Glyphosat für weitere neun Jahre zugelassen werden. Damit war die EU-Kommission bereits Bedenken entgegengekommen, denn ursprünglich sollte die Nutzung von Glyphosat für weitere 15 Jahre genehmigt werden. Das EU-Parlament hatte sich dagegen für eine auf sieben Jahre befristete Wiederzulassung ausgesprochen. In ihrem neuen Entwurf geht die EU-Kommission auch auf Kritiker ein, indem sie die Wiederzulassung an die Bedingung knüpft, die Auswirkungen von Glyphosat auf die Vielfältigkeit von Tieren und Pflanzen zu berücksichtigen.
Hendricks hatte bereits früher vor Gefahren für die Biodiversivität durch den Giftstoff gewarnt. Nun hebt sie auch auf die Gefahren für Menschen ab: "Solange wir nicht zweifelsfrei wissen, ob Glyphosat für die Gesundheit unbedenklich ist, sollten wir diese Chemikalie nicht weiter zulassen", betonte sie. Schmidt hat sich dagegen der Bewertung der EU-Lebensmittelbehörde EFSA angeschlossen, nach deren Ansicht Glyphosat sei nicht krebserregend. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kommt zum selben Schluss.
Im Frühjahr 2015 hatte jedoch die internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt, Glyphosat sei wahrscheinlich karzinogen. In diesem Frühjahr hat daraufhin die deutsche Bundesstelle für Chemikalien bei der Europäischen Chemikalienagentur eine offizielle Einstufung beantragt. Juristen gehen davon aus, dass erst nach Abschluss dieses Verfahrens nach europäischen Recht feststeht, ob Glyphosat Krebs erzeugend ist oder nicht. Nach Einschätzung von Experten wird die Europäische Chemikalienagentur frühestens in einem Jahr zu einem Ergebnis kommen.
Der grüne Bundestagsabgeordnete und Bioökonomie-Experte Harald Ebner forderte, über eine Enthaltung hinauszugehen: "Deutschland sollte dem Beispiel Frankreichs folgen und die Neuzulassung ablehnen." Bauernverbände dringen dagegen auf eine weitere Freigabe der Chemikalie. Glyphosat wird seit den 70er Jahren in der Landwirtschaft eingesetzt. Der US-Agrarkonzern Monsanto vertreibt Glyphosat unter dem Markennamen Roundup und erzielte damit im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,8 Milliarden Dollar. Auch andere Konzerne produzieren das sogenannte Totalherbizid.