Wenn sich Autos eines Tages selbst steuern, hat der Fahrer unterwegs Zeit zum Geldausgeben. Dieser Effekt des autonomen Fahrens könnte nach einer Studie auch abseits der Automobilindustrie einen Milliardenmarkt entstehen lassen. 75 Prozent der Autofahrer in Deutschland, den USA und Japan seien dazu bereit, Geld für Aktivitäten während der Fahrt auszugeben, wie das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation kürzlich auf der Hannover Messe mitteilte. Zu solchen Aktivitäten zählt demnach etwa Arbeiten, Kommunizieren oder Nachrichten lesen.
Autos ohne Fahrer werden nach Ansicht des US-Managers Chris Penrose vom Telekommunikationsunternehmen AT&T ab Mitte 2020 sukzessive zum Alltag gehören. „Es wird aber noch Jahre dauern bis zum flächendeckenden vollautonomen Fahren, da werden noch viele rechtliche Hürden beseitigt werden müssen“, sagte Penrose der Deutschen Presse-Agentur auf der Hannover Messe.
Der für die Zukunftsindustrien zuständige Manager hält für einen Durchbruch allerdings gesellschaftliche Akzeptanz sowie Reservesysteme (Backup) für unabdingbar. Sie sollen in Notsituationen menschliches Eingreifen ermöglichen.
Die Autoren der Fraunhofer-Studie sehen enorme Marktpotentiale, durch die sich die sinkenden Absatzzahlen bei herkömmlichen Autos abmildern ließen. Profitieren könnte davon nicht nur die Automobilindustrie. Auch für Hersteller technischer Endgeräte und digitale Serviceanbieter böte sich ein Milliardenmarkt. Allein in Deutschland sind die Autofahrer laut Studie bereit, im Monat durchschnittlich 23 Euro für Ablenkungen während der Fahrt im autonomen Auto auszugeben. In den USA sind es sogar 28 Euro.
Dabei sind es vor allem die Jüngeren, die eine hohe Kaufbereitschaft zeigen. Die 18 bis 35-Jährigen in Deutschland würden sogar monatlich 38 Euro für diese sogenannten Mehrwertdienste ausgeben. Bei der freien Zeit im Auto stehen Möglichkeiten für Kommunikation und Produktivität ganz oben auf der Wunschliste.
Die Neuordnung der Automobilindustrie durch den Einzug von Internetkomponenten wird in den nächsten Jahren immer schneller voranschreiten. Auch die Unternehmensberatung McKinsey rechnet mit einer Verfünffachung des Marktes auf einen Wert von 170 Milliarden Euro. Die Innovation verändert auch die Märkte für Wartung, Inspektion und Versicherung.
Für 13 Prozent der Käufer kommt ein Neufahrzeug ohne Internetzugang gar nicht mehr in Betracht. Das ist ein zentrales Ergebnis einer aktuellen Branchenstudie von McKinsey & Company mit dem Titel „Connected Cars“. „Beim Autokauf spielen Angebote wie Echtzeit-Wartungsinformationen, ortsbasierte Empfehlungen, dynamische Stauprognosen oder Musikstreaming eine zunehmend wichtige Rolle“, erklärt Mohr. 20 Prozent der Kunden würden die Automarke wechseln, wenn sie dadurch an bessere Connectivity-Angebote gelangen. Unter den Vielfahrern, die mehr als 20 Stunden pro Woche im Auto verbringen, beträgt der Anteil der Wechselwilligen sogar 40 Prozent. In China, dem weltweit größten Automarkt, ist die Wechselbereitschaft generell höher als in Europa. „Die potentielle Verschiebung von Marktanteilen zwischen den Autoherstellern ist damit eine der zentralen Auswirkungen von Connected Cars“, sagt Mohr.
Für die Studie „The Value of Time - Nutzerbezogene Service-Potenziale durch autonomes Fahren“ befragte das Fraunhofer-Instistut für Arbeitswirtschaft und Organisation insgesamt 1500 Autofahrer aus den Ländern Deutschland, Japan und den USA.