Politik

Vier Umfragen sehen EU-Gegner in Großbritannien vorn

Lesezeit: 2 min
06.06.2016 16:03
Die Umfragen deuten auf einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Die Aktienmärkte in Europa reagieren negativ. Doch der Grund der Abverkäufe ist nicht der Brexit, sondern die allseits erwartete Kehrtwende der Fed bei den Zinsen.
Vier Umfragen sehen EU-Gegner in Großbritannien vorn

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Börsen gehen nach unten - und die Analysten haben auch gleich eine Erklärung: Die Angst vor dem Brexit soll an dem Abververkauf schuld sein. Immerhin: Gleich vier Umfragen zeigen eine Mehrheit für die EU-Gegner: Eine aktuelle YouGov Brexit-Umfrage für das britische TV-Netzwerk Independent Television (ITV) unter 3405 Personen ergab, dass die EU-Gegner mit 45 gegenüber 41 Prozent vorn liegen. Nur noch elf Prozent sind demnach unentschlossen.

Eine Online-Befragung durch TNS unter 1213 Teilnehmern ergibt mit 43 Prozent Befürwortung eines Austritts gegenüber 41 Prozent, die für einen Verbleib sind, ein ähnliches Bild. Unentschlossen zeigten sich hier 16 Prozent. Eine mit 69 Prozent überwiegende Mehrheit der 19.000 Abonnenten der britischen Zeitung Telegraph stimmten ebenfalls für einen Brexit, während sich 29 Prozent dagegen aussprachen. Das ist allerdings nicht erstaunlich, weil der Telegraph ein traditionell euroskeptisches Medium ist.

In der jüngsten Observer/Opinium-Umfrage unter 2007 Personen zum EU-Referendum legten die Befürworter um drei Prozentpunkte zu und kommen aktuell auf 43 Prozent, die Gegner büßen in den vergangenen zwei Wochen vier Prozentpunkte ein und erreichen nun 40 Prozent.

"Wir befinden uns in der letzten Phase der Brexit-Debatte", sagte Investment-Manager Jonathan Roy vom Vermögensverwalter Charles Hanover. Daher trennten sich einige Anleger bereits von Unternehmen mit großem Großbritannien-Engagement. "Sie schauen sich Aktien an, denen deutliche Verluste drohen, sollten die Briten für den Ausstieg aus der EU stimmen." Das Referendum ist für den 23. Juni geplant.

Sachlich dürfte diese Einschätzung nicht zutreffen, weil die meisten Investoren eher dem kühlen Verstand folgen, den JP Morgan in einer nüchternen Analyse zeigt: Demnach würde sich selbst im immer noch alles andere als sicheren Austritt insgesamt wenig ändern.

Der eigentliche Grund der Nervosität ist die erwartete Abkehr der Fed von einer Zinserhöhung im Juni nach überraschend schwachen Job-Zahlen in den USA, die am Freitag bekannt geworden sind. 

Unterdessen litt die US-Währung unter den Nachwehen der schwachen Arbeitsmarktdaten aus der Vorwoche. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen wie Euro oder Yen widerspiegelt, notierte wegen der schwindenden Aussicht auf eine baldige US-Zinserhöhung nur knapp über seinem Drei-Wochen-Tief vom Freitag. Der Euro kostete mit 1,1344 Dollar rund zwei US-Cent mehr als unmittelbar vor Bekanntgabe der Beschäftigtenzahlen.

Nun warteten Börsianer gespannt auf einen Auftritt der US-Notenbankchefin Janet Yellen am Montagabend (MESZ). "Vor dem Hintergrund der enttäuschenden Arbeitsmarktdaten werden Händler auf Anzeichen achten, ob Yellen die US-Wirtschaft weniger positiv bewertet als vor einer Woche", sagte Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus City of London. Die Fed berät in der kommenden Woche über ihre Geldpolitik.

Die aktuelle Dollar-Schwäche trieb den Preis für das wichtige Industriemetall Kupfer 0,6 Prozent in die Höhe auf 4716 Dollar je Tonne. Ein fallender Dollar macht Rohstoffe für Anleger außerhalb der USA attraktiver. Zu den Profiteuren dieser Entwicklung zählten die Bergbaukonzerne. An der Londoner Börse stiegen Anglo American, Antofagasta, BHP Billiton, Fresnillo, Glencore und Rio Tinto um bis zu 8,9 Prozent.

Die richtungsweisende Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um bis zu 1,4 Prozent auf 50,33 Dollar je Barrel (159 Liter) und stützte damit die Aktienmärkte ebenfalls. Denn die Kursturbulenzen des "schwarzen Goldes" hatten in den vergangenen Monaten wiederholt für Unruhe an den Börsen gesorgt.

Unter Druck gerieten dagegen die Luftfahrtwerte, nachdem sich die Analysten der Barclays Bank vor einer schwächelnden Nachfrage gewarnt hatten. Lufthansa, Air France-KLM und die British Airways-Mutter IAG verloren bis zu 5,7 Prozent. Die beiden Billig-Flieger Ryanair und EasyJet notierten jeweils gut ein Prozent im Minus.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...