Politik

Italien rätselt über den Tod eines Bankers von Monte dei Paschi

Der Selbstmord eines Top-Bankers der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) irritiert die Italiener auch noch vier Jahre später. Nun soll der Leichnam exhumiert werden. Viele Details ergeben keine Erklärung. Die MPS steht erneut vor dem Kollaps. Dies könnte weitreichende Folgen für die europäische Banken-Welt haben.
05.07.2016 00:29
Lesezeit: 4 min
Italien rätselt über den Tod eines Bankers von Monte dei Paschi
Daniele Pesco, Abgeordneter der 5-Sterne-Bewegung in Italien. (Foto: Web Side Story)

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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Herr Pesco, vor einigen Tagen erschien in der „New York Post“ ein Artikel über eine Reihe von vermeintlichen Selbstmorden unter BankernDem Beitrag wurde in Italien viel Aufmerksamkeit geschenkt. Warum gerade bei Ihnen?

Daniele Pesco: In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von vermeintlichen, zweifelhaften Selbstmorden unter Bankern gegeben, auf der ganzen Welt. Ich nenne sie zweifelhaft, weil die angeblichen Motive für eine derartige Tat oft nicht plausibel sind. In Italien ziehen sich diese Selbsttötungen unter Bankern wie ein roter Faden durch unsere jüngere Finanzgeschichte. Unter den Opfern finden wir Manager der Banca Sella und der Cassa di Risparmio di Ferrara. Der wohl spektakulärste Fall der letzten Jahre ist aber der Tod von David Rossi, des Kommunikationschefs der ältesten Bank der Welt, der Monte dei Paschi di Siena. Nach offizieller Lesart hat auch er Suizid begangen, indem er aus dem Fenster seines Büros sprang.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie zweifeln an der Selbstmordhypothese?

Daniele Pesco: Ja. Bei dem Vorfall gibt es fünfzehn Ungereimtheiten, die einen Selbstmord höchst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Ich zähle hier nur einige auf: Während seines Sturzes aus dem Fenster, der auf den letzten Metern von einer Sicherheitskamera aufgezeichnet worden ist, erscheint Rossi reglos. Er rotiert nicht, bewegt sich nicht. Zudem fällt er rücklings. Die Aufzeichnungen der Sicherheitskamera sind allerdings unvollständig. Einige Minuten wurden gelöscht. Und die Sicherheitskameras innerhalb des Gebäudes waren überhaupt nicht in Betrieb. Rossi hatte auf dem Schädel einen dreieckigen Abdruck, der ihm wahrscheinlich mit einem stumpfen Gegenstand zugefügt worden ist. An seinen Schuhen klebte Schlamm. Einige Minuten nach seinem Aufprall fällt einen Gegenstand aus dem Fenster, auch dies hat die Sicherheitskamera aufgenommen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um Rossis Armbanduhr. Rossi liegt dann mehrere Minuten auf dem Pflaster. Man sieht, wie er seine Hand bewegt. Möglicherweise war er wieder zu sich gekommen, bevor er starb.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Er lag auf dem Straßenpflaster und niemand hat es bemerkt?

Daniele Pesco: Unter Rossis Bürofenster befindet sich eine Sackgasse. Jedoch verläuft davor eine Querstraße, und um die Uhrzeit – etwa gegen acht Uhr abends – hätte ihn durchaus jemand bemerken können. Allerdings zeigen die Aufnahmen der Kamera, dass im Hintergrund die Ecke eines Hauses, an besagter Nebenstraße, rötlich schimmert. Möglicherweise reflektiert die Wand die Rücklichter eines Autos, das man dort geparkt hatte, um Passanten die Sicht auf Rossi zu verstellen. Und doch betritt – dies ist auf dem Videomaterial zu sehen – ein Mann die Sackgasse, spricht in sein Handy und geht wieder weg. Die Feuerwehr hat er aber nicht angerufen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wer war dieser Mann?

Daniele Pesco: Das weiß ich nicht. Jedenfalls hat er nicht versucht zu helfen. Er hat in sein Handy gesprochen und sich vom Unfallort wieder entfernt. Und da wir schon bei den Umgereimtheiten sind: Nach Rossis Tod wurde eine Nummer auf seinem Mobilfunktelefon gewählt. Man hatte das Telefon später in seinem Büro gefunden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Und wie ist das zu erklären?

Daniele Pesco: Eine Hypothese lautet, dass sich das Handy von selbst aktiviert hat.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Und trotz all dieser Auffälligkeiten kam die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass Rossi Selbstmord begangen hat?

Daniele Pesco: Der Fall war zu den Akten gelegt worden. Aber die Witwe von David Rossi wollte sich damit nicht zufrieden geben. Sie hat einen Anwalt beauftragt nachzubohren. Wir haben dazu eine Anfrage im Parlament gestellt. Jetzt hat man den Leichnam David Rossis exhumiert und zur Obduktion nach Mailand gebracht. Der Sturz Rossis aus dem Fenster soll in den nächsten Tagen mit einer Puppe simuliert werden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Zur Obduktion nach Mailand? Hat es denn vorher keine Obduktion gegeben?

Daniele Pesco: Nur sehr oberflächlich.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie erklären Sie es sich, dass die Staatsanwaltschaft der Sache nicht von Anfang an entschlossener nachgegangen ist?

Daniele Pesco: Das weiß ich nicht.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Anders gefragt: Würde eine restlose Aufklärung des Falles Rossi möglicherweise zu viel Staub aufwirbeln? Wusste Rossi Dinge, die keinesfalls an die Öffentlichkeit dringen sollten?

Daniele Pesco: Aber viele von den Problemen der Bank waren doch zum Zeitpunkt von Rossis Tod – dem 6. März 2013 – bereits bekannt. Von dem Erwerb der Bank Antonveneta, einem Geldinstitut, das vielleicht zwei Milliarden Euro wert war, für 17 Milliarden, einschließlich der Schulden dieser Bank, im Jahr 2007 wusste man ebenso wie von den anschließenden Derivate-Deals mit den Banken Nomura und Deutsche Bank, mit denen man kurzfristig die Bilanz frisieren konnte. Die Staatsanwaltschaft Mailand hat deswegen ja im Jahr 2011 ermittelt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Warum hat Monte dei Paschi die Antonveneta eigentlich zu einem derart überteuerten Preis übernommen?

Daniele Pesco: Es gab schon immer einen direkten Draht zwischen dieser Bank und der Politik. Nicht alle Entscheidungen müssen wirtschaftlicher Natur sein.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Und jetzt steckt die Monte dei Paschi in massiven Schwierigkeiten?

Daniele Pesco: Wenn wir ehrlich sind, ist die Monte dei Paschi – eine Bank die vor ihrem Börsengang 1999 immer sehr erfolgreich war – seit dem Jahr 2008 jedoch de facto pleite. Heute sitzt sie auf faulen Krediten im Wert von 47 Milliarden Euro. Bei allen italienischen Banken haben sich übrigens faule Kredite im Wert von über 300 Milliarden angesammelt.

Deutsce Wirtschafts Nachrichten: Das klingt ja fast so, als sei die europäische Bankenunion nebst gemeinsamer Einlagensicherung für Premierminister Renzi alternativlos.

Daniele Pesco: Wir müssen das Bankenproblem dringend in den Griff bekommen. Der Staat möchte die faulen Kredite nun in eine Bad Bank auslagern, neu verbriefen und Investoren zum Kauf anbieten. Für die besseren Verbriefungen will der Staat eine Garantie aussprechen. Zudem sollen internationale Investoren berechtigt werden, die entsprechenden Betriebe bei Kreditausfällen zu übernehmen. Auf die Art begeben wir uns in eine Abwärtsspirale, die zu einem Ausverkauf der italienischen Wirtschaft führen kann.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was schlägt denn Ihre Partei vor, um der Lage Herr zu werden?

Daniele Pesco: Wir wissen, dass die Situation verfahren ist. Aber wir plädieren dafür, die Banca d´Italia, die italienische Notenbank, welche sich fast ausschließlich im Besitz privater Banken befindet, zu verstaatlichen. Außerdem fordern wir ein Trennbankensystem. Geschäfts- und Investmentbanken sollten voneinander getrennt werden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was halten Sie vor diesem Hintergrund eigentlich von der Gemeinschaftswährung Euro? Immerhin stünde es einer verstaatlichten Banca d´Italia außerhalb des Euro-Systems ja frei, die Schulden der italienischen Banken zu übernehmen und nach Bedarf zu entwerten.

Daniele Pesco: Der Euro in seiner jetzigen Form erzeugt starke Spannungen in Europa. Die Misswirtschaft im Fall Monte dei Paschi und die politische Instrumentalisierung der Bank ist sicherlich ein Grund für die Schwierigkeiten, in denen unsere Kreditinstitute stecken. Aber wir dürfen auch nicht außer Acht lassen, dass Italien innerhalb des Eurosystems an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat und dass nicht zuletzt deswegen so viele Kredite notleidend sind. Ich finde, wir sollten die Zukunft des Euro ergebnisoffen diskutieren.

***

Daniele Pesco sitzt für den „Movimento 5 Stelle“ in der italienischen Abgeordnetenkammer, ist Mitglied des Finanzausschusses und Unterzeichner einer parlamentarischen Anfrage zum Tod von David Rossi, dem Kommunikationschef der Bank „Monte dei Paschi di Siena“.

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