Finanzen

Deutsche Bau-Tätigkeit trotz Flüchtlingen rückläufig

Die Produktion deutscher Unternehmen fiel im Mai überraschend schwach aus. Besonders verwundert der Rückgang bei der Bautätigkeit, der trotz der starken Einwanderung von Flüchtlingen seit Jahresbeginn zu beobachten ist. Die Bundesregierung hatte angekündigt, für Flüchtlinge und Migranten Unterkünfte schaffen zu wollen.
11.07.2016 02:18
Lesezeit: 1 min
Deutsche Bau-Tätigkeit trotz Flüchtlingen rückläufig
Die Entwicklung von Industrie und Wohnungsbau. (Grafik: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)

Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion im Mai gedrosselt. Industrie, Baubranche und Energieversorger stellten zusammen 1,3 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag laut Reuters mitteilte. Dies ist der stärkste Rückgang seit August 2014. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit Stagnation gerechnet. Im April hatte es noch ein Plus von 0,5 Prozent gegeben. Die Industrie allein produzierte im Mai 1,8 Prozent weniger. Im Energiesektor kletterte dagegen die Produktion um 3,9 Prozent, im Baugewerbe sank sie um 0,9 Prozent.

Insbesondere der erneute Rückgang bei der Bautätigkeit lässt aufhorchen, weil sich damit ein seit Jahresbeginn zu beobachtender Trend fortsetzt – obwohl Deutschland in den letzten Monaten des vergangenen Jahres über eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat. Ökonomen hatten wiederholt darauf hingewiesen, dass sich die Einwanderung positiv auf das deutsche Wirtschaftswachstum auswirken werde. Insbesondere die Bauindustrie, so die Argumentation, werde einen deutlichen Aufschwung verspüren.

Die Bauwirtschaft gilt als Gradmesser für die Entwicklung der Gesamtwirtschaft – sie deutet demnach eine Abkühlung an. Bauinvestitionen stellen dem Schweizer Finanzexperten Michael Bernegger zufolge statistisch 60 bis 80 Prozent der Bruttoinvestitionen dar. Sie sind für große Wachstumsschübe der Volkswirtschaften maßgeblich. Sie entfalten hohe Kopplungs- und Multiplikatoreffekte und üben direkt und indirekt eine hohe Beschäftigungswirkung aus. Die erteilten Baubewilligungen gehen der effektiven Bauinvestitionstätigkeit über einen Zeitraum bis zu zwei Jahre voraus, so dass damit die zukünftige Bautätigkeit einigermaßen eingeschätzt werden kann.

Bernegger weist auf die Parallelen zwischen rückläufigem Wohnungsbau und wirtschaftlicher Abschwächung in ganz Europa hin: „Die Baubewilligungen in der Eurozone liegen auf gerade mal einem Drittel des Niveaus beim Start des Euro, und auf einem Viertel des Niveaus von 2006/07. Dieses miserable Konjunkturbild ist kein Zufall. Es ist, ganz abgesehen von den faulen Krediten aus diesem Sektor, für die Banken weder attraktiv noch möglich, langfristige Investitionskredite oder Hypotheken zu vergeben, weder in den Peripherie- noch in den Kernländern der Eurozone. Dem ist auch mit noch etwas tieferen Zinsen nicht beizukommen, im Gegenteil. Deutschland hat eine vergleichsweise gute Konjunkturentwicklung – zunehmende Beschäftigung, steigende Realeinkommen, starke Zuwanderung, seit 2012 aus der Peripherie Europas, jetzt durch die Flüchtlinge, die Mieten (Neu-, nicht Bestandsmieten) in den Städten legen seit Jahren explosionsartig zu. Trotz solch guter Voraussetzungen steigen die Baubewilligungen nur schwach an und sind weit vom Niveau der 1990er Jahre entfernt.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Urlaub wird teurer: Flugkosten steigen auch bei Billig-Airlines
08.07.2025

Fliegen vom deutschen Flughafen ist deutlich kostspieliger geworden – und das nicht nur bei klassischen Airlines. Auch...

DWN
Politik
Politik Haushaltsstreit 2025: Klingbeils Pläne, Kritik und offene Milliardenlücken
08.07.2025

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den Haushaltsentwurf für 2025 und die Finanzplanung bis 2029 in den Bundestag eingebracht....

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Konzern behauptet Spitzenposition im deutschen E-Auto-Markt
08.07.2025

Der VW-Konzern setzt im deutschen E-Auto-Markt neue Maßstäbe. Die aktuellen Zahlen zeigen eine eindrucksvolle Entwicklung – doch der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Europas Industrie und niemand wehrt sich
08.07.2025

Chinas Staatskonzerne zerlegen Europas Industrie Stück für Stück – doch Berlin, Brüssel und Paris liefern nur leere Worte. Während...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dow schließt Chemieanlagen: Was das für Deutschland bedeutet
07.07.2025

Der US-Konzern Dow zieht sich teilweise aus Mitteldeutschland zurück – und das hat Folgen. Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt...

DWN
Politik
Politik Folgekosten in Millionenhöhe: Corona-Krise und die Schattenseite staatlicher Beschaffung
07.07.2025

Milliardenkosten, ungenutzte Schutzmasken und politische Spannungen: Die Folgen der Maskenkäufe in der Corona-Krise wirken bis heute nach....

DWN
Politik
Politik Kontrollen an der Grenze zu Polen: Grenzkontrollen jetzt beidseitig aktiv
07.07.2025

Mitten in der Urlaubszeit zieht Polen die Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland an. Reisende spüren die Auswirkungen sofort –...

DWN
Politik
Politik Trump droht BRICS-Staaten mit neuen Strafzöllen
07.07.2025

Trump verschärft den Handelsstreit mit den BRICS-Staaten drastisch. Seine angekündigten Strafzölle könnten globale Lieferketten...