Die Helaba analysiert die Entwicklung der Rohstoffpreise und konstatiert: Von einem Ende des Rohstoff-Schocks ist die Weltwirtschaft weit entfernt:
Nach Unterschreiten der 50-Tage-Linien haben die führenden Rohstoffindizes zumeist den seit Mitte Januar bestehenden kurzfristigen Aufwärtstrend gebrochen. Inzwischen steuern sie auf die 200-Tage-Linien zu. Der SPGSCI-TR-Index hat sie bereits leicht unterschritten. Insgesamt wirkt die Charttechnik mittlerweile eher labil. Gewinner beim 1M-Vergleich war zuletzt Nickel (+16,5 %), während US-Weizen (-14,6 %) das Schlusslicht darstellte.
Nachdem Schlüsselrohstoffe wohl erst einmal „abgegrast“ sind, scheint sich die Investmentnachfrage auf Nebenschauplätze mit „vermeintlichem Eigenleben“, wie Baumwolle, Nickel und Zink, zu richten. Rohstoffe konnten als Anlageklasse in jüngster Zeit nicht mehr von der wieder zunehmenden Risikofreude profitieren. In den kommenden Monaten könnten sich der noch vorherrschende physische Angebotsüberhang und weniger enthusiastische Finanzinvestoren noch als Bremsfaktor erweisen. Die Impulse aus dem Makroumfeld dürften selbst nach den Bekundungen zu einer Wachstumspolitik auf dem jüngsten G20-Gipfel der Finanzminister insgesamt eher gemischt ausfallen. Die Einkommensperspektiven bleiben vermutlich überwiegend verhalten, die Nachfrage rohstoffintensiver Güter begrenzt. Gleichzeitig könnte eine wieder weniger international abgestimmte Geldpolitik über die Währungsseite für Irritationen sorgen. Jedenfalls ist bei Rohstoffen zunächst wohl kaum mehr mit Rückenwind durch einen leichteren US-Dollar zu rechnen. Wenn auch keine massiven Preisrückgänge mehr zu erwarten sind, so ist der Aufstieg aus dem Tal vermutlich doch mühsamer als im ersten Halbjahr zeitweilig erhofft.
Überblick Rohstoffgruppen
Energie
Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf den Mineralölmärkten lässt wohl noch eine Weile auf sich warten. Bei Brent-Notierungen über 50 USD/Barrel scheint er schon gar nicht möglich zu sein, da in diesen Preisregionen die Förderung eher zusätzlich an Dynamik gewinnt. Inzwischen wird auch deutlich, dass nicht nur weiterhin außergewöhnlich viel Rohöl gebunkert ist, sondern auch „Downstream“ einiges an Material festhängt. Rund zwei Drittel der Öldestillate gehen in den Transportsektor. Gerade hier gibt es wohl mittlerweile eine weltweite Angebotsschwemme, die übrigens auch durch die Diesel-Exporte der Raffinerien in China verstärkt wird. Wachstumsunsicherheiten und der gedämpfte Welthandel sind auch nicht gerade die „Zutaten“ für kurzfristig deutlich steigende Mineralölnotierungen.
Edelmetalle
Angesichts des „Katz-und-Maus-Spiels“ der US-Notenbank könnte es bei Gold in den kommenden Monaten auch immer wieder zu Preisrücksetzern kommen. Allerdings dürfte es die Fed wie schon im letzten Sommer nicht darauf ankommen lassen, dass die Zinserwartungen der Marktteilnehmer zu sehr anziehen. So müssten sich die Realzinsen auch weiterhin auf einem für Gold günstigen Niveau bewegen. Die Ölpreiserwartungen werden sich vermutlich allmählich stabilisieren, so dass Deflationsszenarien zum Jahresende hin wieder an Bedeutung verlieren dürften. Jedenfalls liegt das Überraschungspotenzial bei den aktuellen (sehr niedrigen) Inflationserwartungen nicht wie während der Hausse in 2011 für Gold auf der falschen Seite. Das fundamentale Umfeld dürfte eher noch viele im gelben Metall unterinvestierte Anleger zu Käufen anregen.
Industrierohstoffe
Zink ist neben Silber der Ausnahmerohstoff im bisherigen Jahresverlauf. Unter den Primärmetallen vollzog zuletzt zudem Nickel aufgrund politisch veränderter Angebotsbedingungen einen Preissprung. Nach Indonesien planen auch die Philippinen Verkaufsbeschränkungen bei Nickelerzen. Angesichts extrem hoher Lagerbestände, Substitutionsmöglichkeiten und einem zuletzt positiven Weltnickelsaldo ist allerdings fraglich, ob der Preisanstieg nachhaltig sein wird. Ohne die spezielle Situation (niedrige Lagerbestände, enge Kapazitäten) und die damit verbundene Dynamik bei Zink hätten Primärmetalle als Gruppe bislang wesentlich schlechter abgeschnitten. Während die Nachfrageimpulse aus dem Immobilien- und Automobilsektor eher nachlassen dürften und der Investitionsgüterbereich eher weiter dämpft, richten sich die Hoffnungen nach dem jüngsten G20-Gipfel der Finanzminister einmal mehr auf große öffentliche Infrastrukturmaßnahmen.
Getreide
Die Produktionsbedingungen sind bei Getreide in diesem Jahr extrem unterschiedlich und in einzelnen Regionen, wie Frankreich und Deutschland, so von schlechter Wetterlage geprägt, dass der Abwärtstrend der Notierungen trotz Rekordernten im Schwarzmeerraum wohl nicht einfach fortgeschrieben werden kann. So scheint selbst das international wohl am meisten handelbare zeitweilige Sorgenkind Weizen inzwischen einen Boden zu bilden. Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie die Ernten ausfallen. Sofern keine nachhaltigen Wetterprobleme eintreten, wovon wir ausgehen, dürfte die Preisnormalisierung anhalten. Sojabohnen dürften ihren Sonderstatus aufgrund der Angebots-/Nachfragebedingungen aber wohl eher behaupten. Insgesamt bleibt damit ein im historischen Vergleich erhöhtes Preisniveau wahrscheinlich doch erhalten.
Genussmittel
Die weltweiten Lager bei Genussmitteln sind keineswegs leer und der Wetterzyklus dürfte in der nächsten Saison 2016/17 die Ernten eher wieder höher ausfallen lassen. Das Augenmerk richtet sich auf Brasilien und Westafrika, wahrscheinlich immer weniger auf Asien. Gleichwohl dürften die Spekulationen über unvorteilhafte Wetterbedingungen die Notierungen zunächst noch in Spannung halten. Sollten aber die nichtkommerziellen Marktteilnehmer dann doch umfangreiche Positionen liquidieren, stünde auch schnell wieder eine spürbare Preisdämpfung ins Haus. Die Notierungen sind bei Zucker (mit 21 $¢/lb), Kaffee (mit 150 $¢/lb) und Kakao (mit 3.200 $/t) scheinbar erst einmal an die Decke gestoßen. In der westlichen Welt kommt hinzu, dass in der Verarbeitung von Genussmitteln zunehmend auch „unter gesundheitlichen Aspekten“ die Portionen und damit der Input immer kleiner ausfallen. Weniger offensive Szenarien scheinen angebracht zu sein.
Tierprodukte
Das US-Fleischangebot ist trotz saisonal nicht gerade geringer Nachfrage offenbar immer noch üppig. US-Lebendrind steuert vor diesem Hintergrund inzwischen auf die 100 $¢/lb-Marke zu. US-Magerschwein bewegt sich nach einem lokalen Hoch bei reichlichem Angebot wieder zielstrebig in Richtung Süden. Auch angesichts deutlich niedrigerer Futtermittelkosten sind die Schweineherden in diesem Jahr massiv angewachsen. Der Bestand ist vor allem saisonal betrachtet recht hoch. Allerdings dürfte die Volatilität bei Tierprodukten noch zunehmen. Die Hitzewelle im mittleren Westen der USA mag zwar kurzfristig noch zu mehr Schlachtungen führen, mittelfristig dürfte sie aber zusammen mit angebotszerstörenden Preisen zu einem für die Produzenten wieder annehmbaren Gleichgewicht führen.