Politik

Syrien: Nato-Partner Türkei und USA könnten aneinander geraten

Lesezeit: 3 min
24.08.2016 01:19
Die Gefechtslage in Syrien wird täglich kritischer: Die Türkei hat die kurdische YPG unter Beschuss genommen, die von den USA unterstützt wird. Damit prallen die unterschiedliche Interessen von zwei Nato-Staaten aufeinander. Die Türkei warnt, dass der Stellvertreter-Krieg zu einer Konfrontation zwischen Russland und den USA führen könnte.
Syrien: Nato-Partner Türkei und USA könnten aneinander geraten
Aleppo am 22. August 2016. Die Gebiete der Söldner (grün), Kurden (gelb) und Syrer (rot). (Grafik: South Front)

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Die Kurden-Milizen und islamistischen Söldner in Aleppo haben offenbar ein Bündnis gegen Russland und die Regierung in Damaskus geschlossen. Die Söldner haben angekündigt, einen „humanitären Korridor“ für die Kurden-Milizen in Aleppo einzurichten. Im Norden des Landes wiederum stehen sich pro-türkische und pro-amerikanische Söldner feindlich gegenüber.

Die Gefechtslage in Syrien ergibt eine konfrontative Situation zwischen den beiden Nato-Staaten USA und Türkei: Die Türkei hat am Dienstag ihren Beschuss von Stellungen der Terror-Miliz ISIS und der Kurden-Miliz YPG in Syrien verstärkt. Der Beschuss soll offenbar eine Offensive von Söldner-Truppen, die offenbar von der Türkei und Russland ausgehoben wurden, auf den Grenzort Dscharablus vorbereiten, der von ISIS kontrolliert wird. Auf dem Weg dorthin sind auch Kämpfe mit der YPG möglich, da diese Dscharabulus ebenfalls einnehmen wollen. Es stehen sich somit Söldner-Truppen von zwei Nato-Verbündeten – USA und Türkei – gegenüber.

Die USA hatten zuvor verkündet, dass sie alles tun werden, um ihre Verbündeten in Syrien zu schützen. Eine Eskalation zwischen Ankara und Washington ist zumindest möglich. Bereits im Februar hatte die 13. Division der Freien Syrischen Armee (FSA), die aktiv von der Türkei unterstützt wird, die von den USA unterstützten Söldner der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) beschossen, berichtet Al-Masdar News. Der Angriff erfolgte im Norden von Aleppo.

Der türkische Vizepremier Numan Kurtulmus hatte am Dienstag gesagt, dass die Besetzung der Grenzgebiete der Türkei durch die YPG und ihren politischen ARM PYD völlig inakzeptabel sei für die Türkei. Die Türkei kann auch Sicherheitsgründen nicht dabei zusehen, wie ein Korridor in Nordsyrien entsteht. „Diese Entwicklung würde die territoriale Integrität Syriens außer Kraft setzen. Es würden automatisch zwei oder drei Staaten entstehen“, zitiert der Sender TRT Kurtulmus.

Kurtulmus sagte: „Die Lage in Syrien ändert sich rasant. Es findet seit längerer Zeit ein Stellvertreterkrieg statt. Doch dieser Krieg hat seine Grenzen erreicht. Wenn die USA und Russland weiter an diesem Stellvertreterkrieg festhalten, wird es zu einer direkten Konfrontation kommen. Doch ich denke nicht, dass irgendein Staat eine direkte Konfrontation im Nahen Osten ins Auge fassen kann und will“, so Kurtulmus.

Die von den USA unterstützte islamistische Söldner-Truppe Harakat Nour al-Din al-Zenki hat die Schaffung eines „humanitären Korridors“ in das von der Kurden-Miliz YPG kontrollierte Viertel Scheich Maqsud angekündigt. Das geht aus einem offiziellen Video der Gruppe hervor. Zuvor hatten Kurden-Milizen die Castello-Straße, die die einzige Versorgungsroute der syrischen Armee (SAA) in West-Aleppo darstellt gekappt. Als Reaktion darauf schloss die SAA eine Kreuzung, die die SAA-Gebiete mit Scheich Maqsud verbindet, berichtet das militärische Analyse-Portal South Front.

Die Harakat Nour al-Din al-Zenki erlangte im Juli 2016 weltweite Bekanntheit, weil Mitglieder der Söldner-Truppe ein Kind aus dem Flüchtlings-Camp Handarat unter dem Vorwurf der „Kollaboration“ mit der Regierung in Damaskus enthauptet haben sollen. Dazu wurde ein Video lanciert, dessen Echtheit jedoch nicht von unabhängiger Seite überprüft werden kann.

Zum Bruch der Koalition aus Kurden-Milizen und der SAA in Aleppo kam es, nachdem in der nordöstlichen Stadt Hasaka Kämpfe zwischen Kurden-Milizen der YPG und der SAA ausgebrochen waren. Doch am Dienstag sollen die SAA und Kurden-Milizen eine Waffenruhe vereinbart haben. Dies berichteten am Dienstag übereinstimmend die syrischen Staatsmedien und ein Vertreter der Kurden. In einer schriftlichen Erklärung der kurdischen Seite hieß es, die Vereinbarung beinhalte den Rückzug aller bewaffneten Einheiten aus Hassaka und eine Feuerpause. Darüber hinaus sollen Gefangene und Verletzte ausgetauscht werden. Die YPG-Milizen und die SAA sollten Hassaka verlassen, sagte der kurdische Verantwortliche. Die Polizeieinheiten beider Seiten sollten bleiben. Die Vereinbarung sei unter der „Schirmherrschaft“ des russischen Militärs zustande gekommen.

Der private US-Geheimdienst Stratfor berichtet, dass sich die SAA in einer schwierigen Situation befinde. „Obwohl die syrische Armee ihre Stellungen in Hasaka nicht kampflos aufgeben kann, würde dieser Kampf eskalieren und zu einem größeren Konflikt mit der YPG führen, was wiederum die Stärke der SAA in der Schlacht um Aleppo unterminieren würde (…) Wenn es einen Silberstreif am Horizont für Damaskus in der letzten Runde des Kampfes mit den Kurden gibt, dann ist es der positive Effekt auf die ersten Kontakte zwischen Syrien und der Türkei. Die Türkei ist aufgrund der territorialen Expansion der YPG entlang ihrer Grenze zunehmend alarmiert.“

Die Türkei, Syrien, Russland und der Iran wollen eine Expansion der Kurden-Milizen im Norden des Landes verhindern. Die Kurden werden von den USA unterstützt, um im Norden des Landes einen kurdischen Korridor zu gründen. Die Gründung eines derartigen Korridors würde zur automatischen Schaffung eines US-Satellitenstaats in der Region führen. Der Zerfall Syriens wäre dann nicht mehr abwendbar.

Russland und die Türkei sind gegen die Teilung Syriens. Doch sowohl die USA als auch die Nato erwägen eine Teilung des Landes. Der frühere Nato-Oberbefehlshaber US-Admiral James Stavridis, der als künftiger US-Vizepräsident unter Hillary Clinton gehandelt wird, befürwortet in einem Artikel des Magazins Foreign Policy die Teilung Syriens in einen sunnitischen, alawitischen und kurdischen Staat.

Die Regierung in Ankara hat am Dienstag die türkische Grenzstadt Karkamis evakuieren lassen. Zuvor wurde die Stadt, die sich an der Grenze zu Syrien unweit der syrischen Stadt Dscharabulus befindet, von Syrien aus mit Mörsergranaten beschossen. Die türkische Armee reagierte mit Artillerie-Geschossen auf ISIS-Stellungen, berichtet die Hürriyet.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat am Dienstag Berichte, wonach bewaffnete „syrische Oppositionsgruppen“ eine Operation auf die von ISIS belagerte Stadt Dscharabulus durchführen sollen, bestätigt. „Wir werden für Afrin in Richtung Osten und Dscharabulus jedwede Hilfestellung bereitstellen. Es ist wichtig für unsere Sicherheit, dass dieses Gebiet von Terroristen gesäubert wird“, zitiert die Zeitung Sabah den Außenminister. Die Türkei stuft sowohl ISIS als auch die Kurden-Miliz YPG als Terrororganisationen ein. Die USA hingegen sieht in der YPG einen Verbündeten.


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