Die Ratingagentur Moody's senkt den Daumen über die Türkei. Die langfristigen Verbindlichkeiten würden nun nur noch mit "Ba1" bewertet, teilten die US-Bonitätswächter am Freitagabend mit. Das ist zwar nur eine Herabsetzung um eine Stufe, bedeutet aber, dass die Türkei aus dem so genannten Investment-Bereich in den Ramsch-Bereich hineinrutscht. Der Rating-Ausblick ist aber weiterhin stabil, womit dem Land vorerst keine weitere Herunterstufung droht. Allerdings könnte der Türkei eine milliardenschwere Kapitalflucht bevorstehen. Große Investoren verlassen sich in der Regel auf die Ratings und sind quasi gezwungen, Geld abzuziehen, wenn die Ratingagenturen Länder schlechter bewerten.
Moody's hatte bereits Mitte Juli nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei erklärt, eine Herabstufung zu prüfen. Es müssten die mittelfristigen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und politische Einrichtungen bewertet werden, hatte es geheißen.
Am Freitag teilte Moody's nun mit, für die Jahre 2016 bis 2019 werde für die Türkei nur noch ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent erwartet. Das liege deutlich unter den 5,5 Prozent, mit denen die türkische Wirtschaft im Schnitt zwischen 2010 und 2014 gewachsen sei.
Die Reaktion der Regierung auf den gescheiterten Militärputsch werfe Fragen auf, erklärte Moody's. So gebe es nach dem türkischen Vorgehen gegen Privatfirmen, die Verbindungen zur Bewegung des Predigers Fettullah Gülen hätten, nun zunehmende Sorgen mit Blick auf den Schutz privater Investments in der Türkei. Das belaste das Investitionsklima insgesamt. Die Türkei wirft Gülen vor, Drahtzieher des gescheiterten Putsches vom 15. Juli zu sein. Gülen hat die Vorwürfe zurückgewiesen.
Bei der türkischen Regierung stieß die Rating-Herabstufung durch Moody's auf Kritik. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, der Schritt zeige, dass die Bewertung nicht neutral sei.
Analysten von BGC Partners rechnen damit, dass die türkische Wirtschaft im Gesamtjahr um 3,3 Prozent wachsen wird; die Regierung erwartet eine Steigerung des BIP um 4,5 Prozent.
Von April bis Juni stieg das BIP um 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, von Januar bis März waren es noch 4,7 Prozent gewesen, wie das türkische Statistikamt am Freitag mitteilte. Die Behörde revidierte damit frühere Angaben für das erste Quartal nach oben.
Analysten hatten wegen der Anschläge und der instabilen politischen Lage einen deutlichen Dämpfer der türkischen Wirtschaft erwartet. Doch im ersten Halbjahr wuchs das BIP der Statistik zufolge immer noch solide um 3,9 Prozent. Wichtigster Treiber war der private Konsum. Die Haushalte profitierten vor allem vom niedrigen Ölpreis. Der Staatskonsum stieg ebenfalls kräftig.