Deutschland

Studie: Gewerkschaften nutzen Streiks für neue Mitglieder

Lesezeit: 1 min
09.01.2017 00:11
Eine Studie zeigt: Bei vielen Streiks geht es den mächtigen Gewerkschaften weniger um die Beschäftigten, als viel mehr um die Gewinnung neuer Mitglieder.
Studie: Gewerkschaften nutzen Streiks für neue Mitglieder

Der Schwerpunkt der Arbeitskämpfe in Deutschland verschiebt sich immer mehr vom produzierenden Gewerbe auf den Dienstleistungsbereich. Dabei sind zunehmend Dritte – etwa Flugreisende, Bank- und Einzelhandelskunden, Brief- oder Paketempfänger – von Streiks betroffen. Dem arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zufolge ist die Zahl der Arbeitskämpfe in Branchen, die die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vertritt, in den vergangenen Jahren kräftig angestiegen. Auf Mitgliederverluste, eine rückläufige Tarifbindung und Konkurrenzgewerkschaften antworte Verdi „mit einer expansiven Tarifpolitik“, heißt es in der IW-Studie, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Zwischen 2008 und 2014 sei die Zahl von Arbeitskämpfen pro Jahr im Durchschnitt auf 151 angestiegen. Zwischen 2004 und 2007 waren es dagegen nur 70 Ausstände. Das Jahr 2012 sei mit 188 bewilligten Streiks durch den Bundesvorstand das kampfreichste Jahr gewesen.

Inzwischen nutze Verdi die Konflikte auch als Mitgliederwerbung – „und das durchaus mit Erfolg“, erklärte der Autor der IW-Studie, Hagen Lesch. In den Jahren nach Gründung 2001 habe die Gewerkschaft rund 600.000 Mitglieder verloren. Die Tarifabschlüsse seien damals mager gewesen und Verdi bekam Konkurrenz durch andere Gewerkschaften wie in der Luftfahrbranche (Ufo, Cockpit). Dieses Bild habe sich inzwischen geändert. Der Mitgliederschwund sei abgebremst und die Tariflöhne hätten sich der allgemeinen Lohnentwicklung angenähert.

Verdi war vor gut 15 Jahren durch den Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften entstanden. Mit heute gut 2 Millionen Mitgliedern ist sie nach der IG Metall die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft.

Ziel von Verdi sei es, eine weitere Abspaltung von Berufsgruppen zu verhindern. Dabei sind die Konflikte in den Verdi-Tarifbereichen keineswegs einheitlich. Im Einzelhandel und bei der Telekom gehe es eher konfliktreich, im privaten Bankgewerbe dagegen konfliktarm zu. Bei der Deutschen Post ist die Verhandlungsdauer laut IW mit 2,2 Monaten am niedrigsten, im Einzelhandel mit 7 Monaten am höchsten.

Das Hauptproblem einer Multibranchengewerkschaft liegt nach Ansicht der Autoren der Studie vor allem darin, sich nicht in endlosen Kleinkonflikten wie beim Versandhändler Amazon zu verlieren. Solche „Häuserkämpfe“ erforderten viel Personal und Geld. Da hiervon einzelne Fachbereich unterschiedlich betroffen seien, könnte langfristig der Zusammenhalt der Gewerkschaft gefährdet werden.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...