Politik

Krieg in Libyen könnte neue Flüchtlings-Bewegung auslösen

Die Zunahme der Kampfhandlungen in Libyen könnte schon bald zu einer neuen Flüchtlings-Bewegung nach Europa führen. Die Lage der durch den Söldner-Krieg Vertriebenen ist verheerend.
19.01.2017 01:26
Lesezeit: 3 min

Die sich verschärfenden kriegerischen Tätigkeiten in Libyen, erhöhen den Druck auf die Menschen, über das Mittelmeer nach Europa zu flüchten. Der UNHCR berichtet: Der Konflikt in Libyen hat 435.000 Personen vertrieben, und viele sind auf unterschiedliche Schutzgrade und Unterstützungen durch den UNHCR angewiesen. Das am stärksten betroffene Gebiet ist nach wie vor Benghazi. Aufgrund des Wegbleibens von rechtsstaatlichen und funktionstüchtigen Institutionen sind Flüchtlinge Belästigungen, willkürlichen Inhaftierungen, beschränkter Bewegungsfreiheit und anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Es gibt ein kontinuierliches Risiko von Massenverhaftungen, insbesondere für Afrikaner aus der Sub-Sahara (…) Libyen ist nach wie vor die Haupttransitroute, um von Nordafrika über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Im Jahr 2015 wurde über die Ankunft von mehr als 151.000 Personen in Italien berichtet, von denen 90 Prozent über Libyen kamen.“

Libyen hat etwa 6,3 Millionen Einwohner. Bei einer von Binnenflüchtlingen von 435.000 Personen ergeben sich nach Berechnungen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass 6,8 Prozent der Bevölkerung Libyens aus Binnenflüchtlingen besteht.

Das Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) berichtet, dass die Binnenflüchtlinge neben Benghazi auch aus Derna und Tobruk kommen würden. Das IDMC wörtlich: „Die Mehrheit der Binnenvertriebenen, die aus städtischen Umgebungen kommen, werden entweder von ihren Verwandten oder von lokalen Behörden aufgenommen, oder sie kommen in öffentlichen Gebäuden unter. Die Flüchtlinge, die aus Tripolis flohen hauptsächlich westwärts in die Städte al-Zawiya, Ajaylat, Gharyan und Yafran, während weniger Menschen nach Osten flohen, hauptsächlich nach Tarhunah, Bani Walid, Misrata, Zlitan und al-Khums.“

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) berichtet, dass im vergangenen Jahr vor der westlichen libyschen Küste 18.722 Flüchtlinge bei maritimen Einsätzen vor dem Ertrinken gerettet wurden, berichtet The Libya Herald. 4.901 Flüchtlinge kamen bei Bootsunglücken ums Leben. Nach Angaben des italienischen Innenministeriums wurden im vergangenen Jahr mehr als 180.000 Flüchtlinge im gesamten Mittelmeerraum zwischen Libyen und Italien gerettet und nach Italien gebracht, so die AFP.

Die Kämpfe zwischen den rivalisierenden Söldner-Truppen konzentrieren sich vor allem auf den Osten Libyens, wo sich der Großteil des Pipelinenetzes und der Energieproduktion befindet, und wo die meisten Flüchtlinge herkommen. Dort gibt es drei Ölexport-Terminale (in As Sidra, Ras Lanuf und Zuetina), drei Raffinerien und eine Exportanlage für LNG-Gas. Zwei weitere Schlüsselstädte für die Energieproduktion sind Tobruk im äußersten Osten und Tripolis im äußersten Westen Libyens. In beiden Städten befinden sich jeweils ein Ölexport-Terminal und eine Raffinerie. Zudem befindet sich in der südöstlichen Stadt Sarir eine Raffinerie. Die Öl-Stadt Sarir ist über Pipelinenetze mit den Städten Tobruk, Zuetina, Marsa el Brega, Ras Lanuf und As Sidra verbunden, die sich alle an der libyschen Küste befinden. Die Ölvorkommen in der Provinz Wadi al Hayat, die sich im Südwesten des Landes befindet, werden über eine Pipeline an die lybische Küste bei Tripoli transferiert.

Das Erdgas aus dem Gasfeld Wafa im äußersten Westen des Landes wird wiederum über die Pipeline Greenstream an die libysche Küstenstadt Melitah transferiert. Die Pipeline-Übersicht geht aus einer Karte des US-Informationsdiensts Stratfor hervor.

Im Umgang mit der Flüchtlings-Krise, die der Stellvertreterkrieg in Libyen auslöst, versucht die EU eine Lösung zu finden. Die neue maltesische EU-Ratspräsidentschaft will mit Libyen ein Flüchtlings-Abkommen nach dem Vorbild der Türkei anstreben. Im Frühjahr sei ein erneuter starker Anstieg der Flüchtlingszahlen über die Route nach Italien zu erwarten, sagt Maltas Regierungschef Joseph Muscat. „Für mich gibt es keinen Zweifel: Wenn der Kern des Türkei-Abkommens im zentralen Mittelmeer nicht kopiert wird, wird Europa einer großen Flüchtlingskrise gegenüberstehen.“ Dann könnten die „Kernprinzipien“ der EU „ernsthaft auf die Probe gestellt werden“, warnt Muscat.

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