Politik

Nächster Zins-Schritt der Fed hilft Langzeitarbeitslosen nicht

Die US-Notenbank stellt frühzeitige, aber moderate Zinssteigerungen in Aussicht. Sie übersieht jedoch in ihrer positiven Beurteilung des Arbeitsmarkts die hohe Zahl der Langzeitarbeitslosen. Sie müssen über ein politisches Programm in Arbeit gebracht werden. Dieses ist allerdings noch nicht zu erkennen.
15.02.2017 01:04
Lesezeit: 4 min

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Bei ihrem halbjährlichen Rechenschaftsbericht vor dem Kongressausschuss hat die amerikanische Notenbankpräsidentin Yellen den Weg für graduelle Zinssteigerungen vorbereitet. In einer Situation beträchtlicher Unsicherheit machte sie den Zinspfad von der Entwicklung der Konjunkturdaten und der zukünftigen Finanzpolitik abhängig.

Inhaltlich sagte sie nicht viel Neues über die Einschätzung der Wirtschaftslage aus. Sie konstatierte ein mäßiges Wirtschaftswachstum bei sich verbessernder Arbeitsmarktlage und Inflationsraten, welche sich der Definition der Preisstabilität durch den Offenmarkt-Ausschuss der Fed (FOMC) annähern. Unter diesen Umständen erscheint ihr angemessen, allmählich von der super-expansiven zu einer neutraleren Geldpolitik überzugehen. Yellen will dies rechtzeitig starten und dafür nur gradualistisch vorgehen. Gegenwärtig signalisieren alle vorlaufenden Indikatoren eine Beschleunigung der Konjunktur. Vor allem Stimmungsindikatoren sind äußerst positiv. Von daher ist mit einem Anstieg der Notenbankzinsen im weiteren Jahresverlauf zu rechnen.

Kern ist zweifellos, wie Yellen die Lage am Arbeitsmarkt einschätzt. Für Yellen und das FOMC nähert sich der Arbeitsmarkt der Vollbeschäftigung. In ihrem vorbereiteten Text verwies sie auf die offizielle Arbeitslosenrate (U3) sowie jene, welche auch die nur marginal oder Teilzeit-Beschäftigten beinhaltet, welche gerne Vollzeit arbeiten würden (U6). Auch das leicht beschleunigte Nominallohnwachstum deutet in ihrer Interpretation darauf hin.

Was Yellen und die Entscheidungsträger im Fed öffentlich überhaupt nicht diskutieren, ist die im historischen Vergleich sehr niedrige Beschäftigungsquote bei den 25-55-Jährigen und die hohe Zahl von Bezügern von Nahrungsmittel-Gutscheinen. Das sind Personen, die sich aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen haben. Diese de facto Langzeitarbeitslosen dürften nicht freiwillig, sondern aus Resignation über den Arbeitsmarkt handeln. Ihre Zahl ist sehr groß. Je nachdem, wie man diese Arbeitsmarkt-Reserve wirtschaftspolitisch beurteilt, ist die Einschätzung der Konjunkturlage wie auch der Wirtschaftspolitik sehr unterschiedlich. Yellens Zurückhaltung ist einerseits erstaunlich, weil Yellen selber Arbeitsmarkt-Spezialistin ist. Andererseits gibt es dabei mögliche Konfliktfelder mit der neuen Administration beziehungsweise dem Präsidenten. Dieser hatte im Wahlkampf von effektiven Arbeitslosenzahlen von über 20 Prozent gesprochen.

In der Realität gibt es diese weit verbreitete Langzeitarbeitslosigkeit bei Personen, die im besten Alter für die Erwerbstätigkeit stehen. Doch sie ist mit Geldpolitik kaum zu beseitigen. Dafür braucht es nicht nur eine gezielt verstärkte Nachfrage, sondern auch strukturpolitische Maßnahmen einschließlich solcher am Arbeitsmarkt. Die Geldpolitik hat die Zinsen auf Null geschraubt und lange daran festgehalten. Sie hat überdies mehrere Programme von Anleihen-Käufen aufgelegt. Beides ist an dieser riesigen latenten Arbeitsmarkt-Reserve vorbeigegangen. Wenn die Nachfrage stimuliert werden soll, um ihnen Beschäftigung zu verschaffen, muss dies anders geschehen.

Viele dieser Langzeitarbeitslosen mangeln darüber hinaus an Fertigkeiten, welche heute gefragt sind. Manche sind auch entmutigt oder psychisch angeschlagen. Ohne aktive Arbeitsmarkt-Politik, welche eine neue Qualifikation, Training und Eingliederung dieser Langzeitarbeitslosen beinhaltet, sind ihre Chancen gering, langfristig stabile Arbeitsverhältnisse einzugehen. Nur mit einer Deregulierung des Arbeitsmarktes, wie sie dem neuen Arbeitsminister vorschwebt, dürften die Erfolgschancen gering sein. Dies ist die bittere Erfahrung vieler Länder mit Langzeitarbeitslosen, dass nicht wie junge Leute einfach so wieder in den Arbeitsprozess integrierbar sind.

Das Tempo von Zinsanpassungen wird auch vom globalen Umfeld diktiert. Alle anderen wichtigen Notenbanken der Welt wie die EZB, die Bank of England oder die japanische Notenbank sind noch im Null- oder Negativzinsmodus, teilweise verbunden mit Anleihen-Käufen. Von daher ist die Dollarstärke eine unvermeidliche Begleiterscheinung von graduellen Zinssteigerungen beziehungsweise der Aussicht darauf. Das ist per Saldo negativ für den Außenhandel, behindert Exporte und stimuliert die Importe. Dieser Effekt tritt aber nur verzögert und über einen längeren Zeitraum verteilt ein. Umgekehrt hält dies die für die Binnenkonjunktur und Staatsfinanzierung wichtigen langen Zinsen niedrig. Denn die im Anlagenotstand gefangenen Anleger aus diesen Währungsräumen müssen zwangsläufig in den US-Anleihenmarkt investieren, wenn sie Renditeversprechen auf der Passivseite auch nur annähernd erreichen wollen.

Die Notenbank-Präsidentin will diese Konstellation auch dazu benutzen, um die aufgeblasene Bilanz des Federal Reserve System allmählich etwas abzubauen. Sie will also bei Auslaufen die Zinspapiere, welche die Fed hält, nur teilweise reinvestieren. Yellen will dies allerdings nicht als aktive geldpolitische Maßnahme verstanden wissen. Sie deutete an, dass solche Bilanzsteuerung nicht zum regulären Instrumentarium der Geldpolitik gehören soll.

Ob regulär oder nicht: Diese Konstellation schränkt den Handlungsspielraum der neuen Administration und des republikanisch kontrollierten Kongresses in Bezug auf die Finanzpolitik ein Stück weiter ein. Am Ursprung steht natürlich die miserable Budgetdynamik und die ungemütliche Verschuldungssituation des Bundes und teilweise der Staaten. Die vorgesehenen vorsichtigen Zinssteigerungen der Fed, völlig abgesehen von zukünftiger Finanzpolitik, begrenzen die Spielräume weiter.

Von daher ist es schon sehr wichtig, welche Vorschläge und Entscheidungen die neue Administration in der Finanz- und Handelspolitik treffen wird. Im Kern geht es um die Langzeitarbeitslosen. Diese Schicht Unterbeschäftigter und Langzeitarbeitsloser aus den Industriegebieten hat Trump an die Macht gebracht, sie existiert zweifellos. Sie auf breiter Basis in den Arbeitsprozess zu reintegrieren, kann nur gelingen, wenn Trump ein groß angelegtes Infrastruktur-Programm sowie eine Steuer- und Handelspolitik betreibt, welche effektiv netto massiv Jobs in die USA zurückschafft. Ohne einen Erfolg dabei werden Trump und die Republikaner nicht wiedergewählt.

Einerseits enge Grenzen, andererseits die Notwendigkeit, etwas an der strukturell verfestigten Konstellation massiv zu ändern – in diesem Spannungsfeld sind die Spielräume für Irrtümer gering. ‚Trial and error’ ist vermutlich nicht die beste Option. Die Nachfrage muss zielgerichtet und selektiv gestärkt werden – und sie müssen mit Angebots- und Produktivitätseffekten kombiniert sein.

Steuersenkungen für Wohlhabende und Reiche, wie Trump sie im Wahlkampf versprochen hat, erscheinen dafür ungeeignet. Diese Gruppe von Leuten hat schon genügend Wohlstandsgewinne erzielt, ihr Konsum wird sich nicht wesentlich ausweiten. Wenn, dann sollten eher Schlupflöcher geschlossen oder alternativ ihre Steuersätze ganz einfach erhöht werden. Steuersenkungen für Unternehmen ohne ganz erhebliche Lenkungswirkungen für die Entscheidung, ob Produktion und Investitionen der Unternehmen im In- oder Ausland erfolgen, erscheinen ebenfalls höchst zweifelhaft. Vor allem der steuerliche Anreiz für die Unternehmen, primär im Ausland zu investieren, muss unterbunden werden. Das kann nur gelingen, wenn ihre ausländischen Einnahmen effektiv und nicht verzögert besteuert werden. Zusätzlich ein massives Infrastruktur-Programm aufzulegen, kann nur bei einer solchen und weiterer Gegenfinanzierung gelingen. Ein ungezieltes diskretionäres Konjunktur-Programm in die Breite würde eine Welle von Zinssteigerungen auslösen. Präsident Trump hat für die nächsten Wochen ein ‚wunderbares’ Steuer- und Finanzprogramm in Aussicht gestellt. Wenn es nicht erheblich besser vorbereitet ist als das, was die neue Administration bisher als öffentliches Bild abgegeben hat, könnte dies schief gehen.

Der bisherige ‚Trump-Trade’ ist ein von – teilweise übersteigerten – Erwartungen getriebener Euphorieschub. Festere Aktien, vor allem im Finanzbereich, gemäßigt angestiegene Zinsen und ein fester Dollar sind die Begleiterscheinungen oder Rahmenbedingungen. Dieses Narrativ langfristig und nicht nur als kurzfristiges Strohfeuer aufrechtzuerhalten, ist erheblich schwieriger. Denn die Realität muss sich mittelfristig den sehr hohen Erwartungen annähern, sonst gibt es ein böses Erwachen.

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