Politik

Russland stellt staatliche Reederei auf Flüssiggas um

Russland stellt staatliche Reederei auf Flüssiggas um. (Dieser Artikel ist nur für Abonnenten zugänglich)
27.04.2017 01:17
Lesezeit: 2 min

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Russland überrascht die Konkurrenz mit einer sanften Abwendung vom Erdöl: Bloomberg berichtet, dass russische Reeder verstärkt den Antrieb ihrer Frachtschiffe von Schwer- und Dieselöl auf Flüssiggas umstellen. Schiffe der staatlichen russischen Reederei Sowkomflot werden schon bald die ersten weltweit sein, die ihre Waren mithilfe von Flüssiggas als Treibstoff von St. Petersburg nach Rotterdam transportieren. Im Jahr 2019 wird zudem das erste von Flüssiggas angetriebene Kreuzfahrtschiff der Welt seinen Betrieb aufnehmen.

Die Nutzung von Flüssiggas in der Schifffahrt wird in naher Zukunft deutlich zunehmen. Strengere Umweltvorschriften sehen vor, dass Treibstoffe eingesetzt werden, die weniger Schadstoffe ausstoßen. Flüssiggas ist ideal, weil es praktische kein Sulfur freisetzt. Die International Maritime Organisation wird im Jahr 2020 eine Deckelung der Sulfur-Emissionen von 0,5 Prozent einführen. Derzeit beträgt die Grenze noch 3,5 Prozent. Die Londoner Energieagentur Energy Aspects rechnet deswegen damit, dass die Zahl der von Flüssiggas angetriebenen Schiffe von 77 im vergangenen Jahr bis 2020 auf über 200 steigen wird.

Die bevorstehende Ausweitung der Nachfrage nach Flüssiggas ist eine Chance für Staaten und Unternehmen, die in diesem Geschäft tätig sind und die seit Jahren unter einem starken Preisverfall und einem damit zusammenhängenden Überangebot leiden. Seit dem Jahr 2014 ist der Preis für Flüssiggas um etwa zwei Drittel auf derzeit 5,40 Dollar pro einer Million british termal units (etwa 26,4 Kubikmeter Gas) gefallen. Während große Verbraucher von Flüssiggas wie Japan und Südkorea ihre Käufe verringerten, drängten Produzenten aus den USA auf den Weltmarkt und versuchten insbesondere, russischen Anbietern Marktanteile in Europa abzunehmen. Diese Entwicklung hat zu einem globalen Überangebot geführt, welches ähnlich wie den Erdölpreisen eine Erholung der Notierungen verhindert.

Die EU-Kommission hatte ihre Entscheidung vom Februar 2016, Flüssiggas-Importe in die EU zuzulassen, dezidiert mit dem Ziel einer größeren Unabhängigkeit von Russland begründet. Dazu will sie die Vernetzung verbessern, indem neue Drehkreuze und Infrastrukturen geschaffen werden. Der EU-weite LNG-Verbrauch liegt bei nur 20 Prozent, so die Kommission. Mit einem höheren Anteil ließe sich die Abhängigkeit von Versorgern wie Russland verringern, hieß es. Neben Russland ist Norwegen einer der Hauptgasversorger der EU. Im April 2016 erreichte die erste Lieferung von US-amerikanischem Flüssiggas Europa. „Dass die USA überhaupt schneller als erwartet ihre Schiffe nach Europa lenken, liegt nicht nur in einem Langfristvertrag mit Portugal begründet. Es liegt auch am politischen Zusatzmotiv, im Anschluss an die Ukraine-Krise Russland, Europas größten Gaslieferanten, zu bedrängen“, analysierte Die Presse damals.

Russland dürfte deshalb zu den Gewinnern der Entwicklung bei Schiffstreibstoffen gehören. Das Land hat im vergangenen Jahrzehnt etwa 77 Milliarden Dollar in Exportprojekte für Flüssiggas investiert. „Es müssen mehr Kunden für Flüssiggas gefunden werden. Große Mega-Projekte werden zunehmend durch eine Vielzahl kleinerer Projekte ersetzt, etwa durch die Anwendung in der Schifffahrt“, wird ein Analyst von Bloomberg zitiert. Die großen Häfen in Europa wurden bereits angewiesen, ihre Lagerkapazitäten für Flüssiggas bis zum Jahr 2025 beträchtlich auszubauen.

Mit dem Export von Flüssiggas ist den Russen ein geschickter Schachzug gelungen. Die USA versuchen nämlich, über das Flüssiggas den europäischen Markt zu erobern. Diese Strategie ist naturgemäß gegen Russland gerichtet, weil Russland aktuell faktisch ein Monopol für die Energieversorgung in der EU innehat. Daher wollen die Amerikaner seit geraumer Zeit den Russen den europäischen Markt abjagen. Diese politische Strategie ist der Hintergrund für die Auseinandersetzung um die Ukraine.

Dort hatten die Amerikaner gehofft, im Fracking-Bereich tätig werden zu können, und so einen Keil zwischen Russland und die EU zu treiben. Doch mit der Umstellung auf Flüssiggas zeigen die Russen, dass sie den Europäer eine Art Gegengeschäft anbieten können. Vor allem die niederländische Shell ist einer der größten Flüssiggas-Verkäufer.

Sollten die EU sich an irgend einem Punkt von der geopolitischen Abhängigkeit von den USA lösen können, könnte eine Zusammenarbeit mit Russland Preisvorteile für die europäischen Kunden beinhalten. Für die EU ist nämlich weder ein russisches noch ein amerikanischen Anbieter-Monopol von Vorteil.

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