Technologie

Russland: Anarchisten tricksen Internet-Zensur des Kreml aus

In den sozialen Netzwerken hat eine Gruppe von Anarchisten Anleitungen verbreitet, wie man praktisch jede Seite blockieren kann - auch die des Kreml.
15.06.2017 00:57
Lesezeit: 2 min

++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Seit Beginn seiner dritten Amtszeit im Jahr 2012 hat der russische Präsident Wladimir Putin versucht, „Extremismus“ im Internet durch Zensur zu kontrollieren. Allerdings hat Russland kein "Great Firewall" wie die Chinesen, berichtet Bloomberg. In China wird das Internet über die Gateways zwischen dem nationalen Segment und dem Rest des globalen Netzwerks gesteuert. In Russland sind die Internetanbieter lediglich verpflichtet, die Webseiten auf der Blacklist der Regulierungsbehörde Roskomnadzor zu blockieren. Internetanbieter sind nicht gesetzlich verpflichtet, eine bestimmte Sperrmethode zu verwenden. In den vergangenen Tagen hat diese Eigentümlichkeit des russischen Systems zu einem wirksamen anarchistischen Protest gegen die Zensur geführt.

In den sozialen Netzwerken hat eine Gruppe von Anarchisten Anleitungen verbreitet, wie man praktisch jede Seite blockiert. Diese Anleitung gibt Auskunft darüber, wie man eine Blacklist in eine Einkaufsliste umfunktioniert, um abgelaufene oder neue Domainnamen zu registrieren. Dann verknüpft man diese Seiten mit Regierungs-IP-Adressen, um eine automatische Sperrung auszulösen. Dieser Trick funktionierte spektakulär gut. Der nationale zellulare Betreiber BeeLine schloß sofort den Zugang zu vielen Standorten, darunter Bank-Zahlungs-Server und Pro-Kremlin-Medien wie Life.ru und NTV.ru. Sogar Roskomnadzor, der Hüter der Blacklist, landete auf der Blacklist. Nach Angaben von Alexander Litreev, einem St. Petersburger Software-Entwickler, der auf dem Telegram-Messenger einen Cybersecurity-Kanal betreibt, waren mehr als 30 Prozent der russischen Nutzer irgendwann von den Blockaden betroffen.

Das eigentlich große Problem besteht nun darin, dass Putins jährliche „Direct Line“ mit den Wählern – ein wichtiges Ereignis mit Fragen, die über das Internet gesammelt werden, und der daraus resultierende mehrstündige Marathon, der sowohl online als auch im Fernsehen ausgestrahlt wird – für den 15. Juni geplant ist. Doch die Besitzer von Domains auf der Blacklist haben die Macht, dieses Ereignis zu blockieren, so Bloomberg.

Um dies zu verhindern, schickte Roskomnadzor eine Whitelist an die Provider, worin mehr als 2.000 Domains aufgelistet sind, die nicht blockiert werden sollten, auch wenn sie mit einer verbotenen Domain verknüpft sind. Gov.ru und Kremlin.ru, die Domains für die Regierung und das Präsidialamt, befinden sich ganz oben in der Whitelist.

Am 9. Juni kam die Zensuragentur mit einer besseren Lösung. Sie schickte einen Brief an die Provider mit der Aufforderung, dass bis zum 16. Juni – der Tag nach dem Putin-Ereignis - nur spezifische IP-Adressen auf der Blacklist blockiert werden sollten und nicht die, bei denen der Internetverkehr umgeleitet wird. Schlussendlich ist zu erwarten, dass Roskomnadzor eine Lösung für dieses Problem finden und umsetzen wird.

Doch Russland hat eine weltweit bekannte Hacker-Community, die nur wenig Respekt vor inländischen oder ausländischen Restriktionen hat. Die Ausnutzung des aktuellen Roskomnadzor-Fehlers erforderte keine Hacker-Kompetenz, aber wenn es erforderlich ist und die Zensur sich verschärft, dürften sich auch Hacker in Russland ans Werk machen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...

DWN
Politik
Politik Zweite Kanzlerreise: Erwartungen an Merz in Brüssel steigen
09.05.2025

Nur drei Tage nach seinem Amtsantritt ist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu seiner zweiten Kanzlerreise aufgebrochen – Ziel ist...

DWN
Technologie
Technologie Meta trainiert KI mit Ihren Daten – ohne Ihre Zustimmung. So stoppen Sie das jetzt!
09.05.2025

Ab dem 27. Mai analysiert Meta öffentlich sichtbare Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern in Europa – zur Schulung seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
08.05.2025

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst...

DWN
Panorama
Panorama Verkehrswende: Ariadne-Verkehrswendemonitor zeigt Entwicklung auf
08.05.2025

Wie sich die Verkehrswende in Deutschland aktuell entwickelt, ist nun auf einer neuen Onlineplattform des Potsdam-Instituts für...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation bewältigen: 7 Strategien für finanzielle Stabilität, weniger Belastung und einen nachhaltigeren Lebensstil
08.05.2025

Wer die eigenen Ausgaben kennt, kann gezielt handeln. So behalten Sie die Kontrolle über Ihr Geld. Mit Budgetplanung und klugem Konsum...