Politik

EU prüft Entzug von Polens Stimmrechten

Die EU-Kommission droht der polnischen Regierung mit dem Entzug ihrer Stimmrechte auf europäischer Ebene.
19.07.2017 17:14
Lesezeit: 2 min

Wegen der umstrittenen Justizreform droht die EU-Kommission Polen mit harten Sanktionen, berichtet AFP. Brüssel habe „schwerwiegende Bedenken“ gegen entsprechende Gesetzesvorhaben, erklärte die Behörde am Mittwoch. Ohne Änderungen werde die Kommission kommende Woche wahrscheinlich ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten – und womöglich auch eine Prozedur zum Entzug der polnischen Stimmrechten auf EU-Ebene.

Die Pläne der polnischen Regierung könnten „sehr bedeutende negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz“ in Polen haben, erklärte die EU-Kommission nach ihrer wöchentlichen Sitzung. Sie forderte die polnische Regierung auf, die Reform auszusetzen und wieder Gespräche mit Brüssel über die Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen.

„Wir sprechen hier nicht über Details“, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans. „Wir sprechen hier über die Bausteine dessen, was die EU ausmacht.“ Rechtsstaatlichkeit halte „unsere Gesellschaften offen und demokratisch“.

Timmermans zufolge wird die Kommission in der kommenden Woche eine Entscheidung treffen. Er habe „fast keinen Zweifel“, dass die Kommissare dann über Vertragsverletzungsverfahren entscheiden würden, bei denen der Europäische Gerichtshof bei nachgewiesenen Verstößen gegen EU-Recht empfindliche Geldbußen verhängen kann.

Zudem sei die Behörde „sehr nahe daran, Artikel 7 (des EU-Vertrages) auszulösen“, sagte Timmermans. Dieser ermöglicht sogar den Entzug von Stimmrechten auf europäischer Ebene. Dies wäre die dritte und letzte Stufe eines Rechtsstaatsverfahrens, das die Kommission im Januar 2016 eingeleitet hatte, weil die polnische Regierung aus ihrer Sicht die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitten hatte.

Entscheiden würden über den Stimmrechtsentzug aber die anderen Mitgliedstaaten. Sie müssen dazu zunächst einen „schwerwiegenden und anhaltenden Verstoß“ gegen EU-Grundwerte feststellen – und zwar einstimmig. Der Polen-Verbündete Ungarn – selbst schon mehrfach Ziel der Kritik aus Brüssel – hat bereits klar gemacht, dass er dies nicht mittragen würde.

Die aus Polen stammende Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska bedauerte den Streit und warnte auch „vor negativen Folgen“ auf die anstehenden EU-Haushaltsverhandlungen. Justizkommissarin Vera Jourova drohte klar mit dem Entzug von EU-Fördergeldern. Es könne nicht sein, dass durch Steuergelder aus anderen EU-Staaten „die Errichtung einer Art von Diktatur“ finanziert werde, sagte die Tschechin der Neuen Osnabrücker Zeitung.

In Polen verlangte Präsident Duda überraschend eine Überarbeitung des kürzlich verabschiedeten Gesetzes, mit dem die Regierung ihren Einfluss auf die Besetzung von Richterstellen massiv ausweiten will. Das Gesetz wirke in der jetzigen Form „wie ein politisches Diktat“, sagte Duda am Dienstagabend im polnischen Fernsehen. Duda drohte damit, auch die geplante Reform des Obersten Gerichtshofs zu blockieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag mit Duda wegen der Justizreform telefoniert. Aus Sicht der Bundesregierung sei es richtig, dass die EU-Kommission die Fragen des Rechtsstaates in ihren Dialog mit der polnischen Regierung mit einbeziehe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo ließ keine Bereitschaft zum Einlenken erkennen. Die Regierungspartei PiS werde „die Reformen zu Ende bringen“, sagte sie vor Abgeordneten. Das Parlament vertagte in der Nacht zum Mittwoch nach einer hitzigen Verbalattacke von PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski eine Debatte über die Justizreform. Kaczynski hatte Oppositionsabgeordneten als Verräter bezeichnet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...