Politik

Putin besucht überraschend Syrien, ordnet Abzug der russischen Truppen an

Russlands Präsident Putin hat bei einem überraschenden Besuch in Syrien angekündigt, mit dem Abzug der russischen Truppen aus Syrien beginnen zu wollen. Ganz ohne Rückversicherung dürfte dies allerdings nicht geschehen.
11.12.2017 23:57
Lesezeit: 4 min

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Der russische Präsident Wladimir Putin hat das Verteidigungsministerium angweisen, den Rückzug der russischen Militärgruppe aus Syrien zu beginnen. Das berichtet die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS. Putin ist am Montag überraschend zu einem Besuch des russischen Luftwaffenstützpunkts Hmeymim in Syrien eingetroffen, wo er vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad begrüßt wurde.

"Ich befehle dem Verteidigungsministerium und dem Chef des Generalstabs, den Abzug der russischen Truppen an festen Standorten zu beginnen", sagte Putin vor einem Publikum von Militärangehörigen: "In etwas mehr als zwei Jahren haben die russischen Streitkräfte zusammen mit der syrischen Armee die am meisten kampffähige Gruppierung von internationalen Terroristen geführt. Angesichts dieser Entwicklung habe ich eine Entscheidung getroffen: Der größte Teil des russischen Militärkontingents, das in der Arabischen Republik Syrien bleibt, kehrt nach Russland zurück. Sie kommen mit einem Sieg nach Hause, zu Ihren Verwandten, Eltern, Ehefrauen, Kindern und Freunden. Ihr Heimatland wartet auf Sie, meine Freunde. Ich wünschen Ihnen eine gute Heimreise und danken Ihnen für Ihren Dienst."

Laut dem russischen Generalstabschef Sergej Surowikin sollen 23 Flugzeuge und zwei Hubschrauber Syrien verlassen. Zudem sollten Einheiten der Militärpolizei, Minenräumer und Militärärzte abgezogen werden. Surowikin bezifferte die Zahl der von Russlands Soldaten getöteten gegnerischen Kämpfer auf mehr als 32.000, berichtete die AFP.

Es ist davon auszugehen, dass Russland den Abzug nach den Gegebenheiten richten werde. Putin hatte schon einmal vor einem Jahr den Abzug angekündigt. Damals war die Ankündigung allerdings eine militärtaktische Finte, um die islamistischen und internationalen Söldner zu täuschen. Allerdings deutet die Tatsache, dass Putin persönlich nach Syrien gereist ist, dass die Russen die Lage für stabil halten. Die russische Luftwaffe hat die Lufthoheit über Syrien und wird diese auf absehbare Zeit nicht abgeben. Denn die Russen rechnen weiter mit Kämpfen, insbesondere mit der al-Nusra-Front, die noch immer wichtige Stellungen bei Idlib hält.

Putin und US-Präsident Trump hatten vor einigen Wochen einen Plan für die politische Neuordnung in Syrien vorgelegt.

Russland sei bereit, den Terroristen einen erneutem Schlag zu versetzen, wenn sie erneut versuchen würden, den Frieden in Syrien zu brechen, sagte Putin: "Wenn die Terroristen wieder ihren Kopf heben, werden wir solche Schläge gegen sie vortragen, wie sie bisher nicht gesehen haben. Wir werden die Verluste, die der Anti-Terror-Kampf hier in Syrien und in Russland erlitten hat, niemals vergessen. Aber das wird uns nicht dazu verleiten, unsere Hände in den Schoss und uns zurückzuziehen. Das ist nicht das Wesen unserer Nation. Im Gegenteil, diese Erinnerung wird uns eine zusätzliche Kraft geben, um dieses absolute Böse - internationalen Terrorismus – auszurotten, egal unter welcher Maske es sich verbirgt. Die Bedrohung durch den globalen Terrorismus ist zwar immer noch hoch, aber die Aufgabe, bewaffnete Gruppen hier in Syrien zu bekämpfen – eine Aufgabe, die den extensiven Einsatz von Waffengewalt erforderte – wurde größtenteils erreicht und brillant erreicht."

Putin würdigte die Leistung der russischen Soldaten: "Unsere Truppen und Verteidigungsunternehmen haben die wachsende Macht der russischen Armee und Marine, die hohe Kampffähigkeit unserer militärischen Einheiten bewiesen. Piloten, Marine-Seeleute, Spezialeinheiten und Geheimdiensteinheiten, Mitglieder von Militärverwaltungen, Versorgungsagenturen und medizinische Dienste, sowie die Minenarbeiter und Militärberater, haben (...) Mut, Kohärenz, Entschlossenheit, ausgezeichnete Fähigkeiten und Professionalität gezeigt."

Putin sagte, dass der Schutz des Landes und seiner Bevölkerung die Hauptaufgabe jedes Militärs sei: "Das ist es, worum es beim Militärdienst geht, das ist die oberste Priorität derer, die ihr Leben dem Dienst an ihren Menschen widmen. Soldaten, die ihrem Land dienen, bestehen den wichtigsten Test auf dem Schlachtfeld und riskieren ihre Gesundheit und ihr Leben. Indem Sie dem syrischen Volk helfen, seine Eigenstaatlichkeit zu bewahren und Terroranschlägen entgegenzuwirken, haben Sie denjenigen, die unser Land offen und ungehemmt bedroht haben, einen vernichtenden Schlag versetzt."

Putin erwähnte die westliche Anti-IS-Koalition zwar nicht, doch der russische Staatssender RT wies ausdrücklich auf die wichtige Rolle der US-Armee im Kampf gegen den IS hin. Der Sender hob allerdings hervor, dass der Sieg über den IS in erster Linie ein Verdienst der syrischen Armee gewesen sei.

In Washington wurde Putins Ankündigung mit Skepsis aufgenommen. Pentagon-Sprecher Adrian Rankine-Galloway sagte, derartige russische Ankündigungen stimmten häufig nicht mit tatsächlichen Truppenreduzierungen überein. Ein US-Regierungvertreter sagte zu AFP, Putin werde womöglich einen "symbolischen Abzug" einiger Flugzeuge vornehmen, um anschließend die US-Seite zu einem Truppenabzug aufzufordern.

Rankine-Galloway kündigte an, die US-geführte Militärkoalition werde weiterhin bewaffnete Gruppen in Syrien unterstützen, um den Kampf gegen den IS zu vollenden und die "befreiten Gebiete" zu stabilisieren, damit Flüchtlinge zurückkehren könnten.

Putin reiste von Syrien weiter nach Kairo, wo er am Nachmittag Präsident Abdel Fattah al-Sisi traf. Am Abend traf er zu Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara ein.

Russland setzt sich seit Jahresbeginn mit dem Iran und der Türkei für eine Deeskalation sowie eine politische Lösung des Syrien-Konflikts ein, dem seit 2011 mehr als 340.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Eine neue Gesprächsrunde in der kasachischen Hauptstadt Astana unter der Führung der drei Staaten soll am Donnerstag kommender Woche beginnen.

Während es in Astana vor allem um Fragen der militärischen Deeskalation geht, wird parallel unter UN-Führung in Genf über eine politische Lösung für das Bürgerkriegsland verhandelt. Fortschritte gab es dort bislang nicht, nicht zuletzt, weil bisher die von den Saudis und den USA aufgestellte "Opposition" gegen Kompromisse opponiert hatte. Allerdings dürfte Putin den saudischen König Salman bei dessen Besuch in Moskau zu einem Ende der Unterstützung für in Syrien aktive Söldner-Milizen aufgefordert haben. Auch US-Präsident Donald Trump hatte bei einer Rede in Riad von allen Golf-Staaten das Ende der Terror-Unterstützung gefordert.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte am Montag in Brüssel, für die EU führe der einzige Weg zum Frieden in Syrien über die UN-geführten Gespräche in Genf. Mogherini warnte davor, den Konflikt in Syrien bereits für beendet zu erklären. Die Kämpfe gingen weiter, Angriffe auf Zivilisten dauerten an. "Annahmen, dass der Krieg zu Ende ist und die Dinge zur Normalität zurückkehren können, haben unglücklicherweise keine wirkliche Grundlage."

Ähnlich äußerte sich Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Noch sei die Syrien-Krise nicht vorbei, erklärte er. "Die anhaltenden Kampfhandlungen treffen viele Menschen mit unverminderter Härte." Die humanitäre Lage sei nach wie vor dramatisch. "Dauerhafter Frieden ist militärisch nicht zu erreichen", fügte der Außenminister hinzu. Gabriel forderte Russland und den Iran auf, "sich mit Nachdruck dafür einzusetzen", dass sich die syrische Regierung in Genf mit an den Verhandlungstisch setzt.

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