Politik

Saudi-Arabiens verdeckter Kampf gegen die Neue Seidenstraße

Lesezeit: 5 min
26.12.2017 23:51
Einige der inhaftierten Prinzen in Saudi-Arabien sind Unterstützer des chinesischen Seidenstraßen-Projekts “One Belt, One Road”.

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Mehrere hochrangige saudische Geschäftsleute und ehemalige Regierungsangestellte, die in Saudi-Arabien wegen Korruptionsverdachts verhaftet wurden waren, haben Vergleiche mit der saudischen Regierung geschlossen und konnten das Ritz Carlton, in dem sie or einigen Wochen festgesetzt worden waren, wieder verlassen, berichtet die Financial Times.

Zu den Freigelassenen gehören Ibrahim al-Assaf, der zwei Jahrzehnte lang Finanzminister gewesen war, bevor er letztes Jahr entlassen wurde, und Saud al-Duwaish, ein ehemaliger Generaldirektor der Saudi Telecom Company, berichtet die FT.

Es gab keine Details über die Deals, aber die Regierung hatte zuvor verkündet, dass die Inhaftierten freigelassen werden könnten, wenn sie Bargeld und andere Vermögenswerte abgeben, die in manchen Fällen bis zu 70 Prozent des Vermögens der Verdächtigen betrugen. Auch ein Sohn von Saleh Kamel, einem Milliardär, der einen der größten Konglomerate im Nahen Osten betreibt, wurde freigelassen.

Die Aktionen scheinen den Verdacht zu bestätigen, dass es sich bei der Razzia gegen einige Superreiche und Prinzen vor allem um eine Art Geldbeschaffung der klammen suadischen Regierung gehandelt haben könnte.

Doch scheint es auch geopolitische Zusammenhänge zu geben. Denn wichtige Prinzen, die zuvor auch zentrale politische Rollen gespielt hatten, sind immer noch inhaftiert. Ihre Kaltstellung könnte auch damit zusammenhängen, dass sie allesamt prononcierte Befürworter des chinesischen Seidenstraßen-Projekts “One Belt, One Road”, gewesen sind. Die neue US-Regierung, die enge Beziehungen mit dem Kronprinzen Mohammed bon Salman unterhält, fährt einen strikten Anti-China-Kurs. Dieser wurde vom früheren Chefstrategen von US-Präsident Donald Trump, Steve Bannon, als wichtigste Priorität der US-Außenpolitik identifiziert.

So hat die saudische Führung laut Justiz eine Einigung mit Prinz Alwaleed bin Talal abgelehnt. Dieser hatte angeboten, seine Anteile an diversen Unternehmen zu verkaufen – doch die saudische Führung will laut FT vor allem Cash sehen.

Damit könnten die Inhaftierten jedoch auf lange Sicht ihren internationalen Handlungsspielraum verlieren. Die Unterstützer des chinesischen Projekts würden damit massiv geschwächt.

Turki bin Abdullah etwa ist ein Anhänger der Initiative, so die Nachrichtenagentur Xinhua.

Alwaleed bin Talal ist ebenfalls ein Unterstützer des Vorhabens. Der Prinz schloss Ende Oktober im Gespräch mit dem englischsprachigen Dienst von Reuters nicht aus, dass der Börsengang von Saudi Aramco im Ausland durchaus in China vorgenommen werden könnte. „Ich bin kein Regierungs-Mitglied, doch ich lese diese Berichte. Ich wäre nicht überrascht, wenn China diese Gelegenheit in Betracht zieht (...). China ist und wird noch lange auf Öl angewiesen sein. Saudi-Arabien ist ein wichtiger Exporteur von Öl nach China”, zitiert Reuters bin Talal.

Adel Fakieh gehört ebenfalls zu den Unterstützern der „One Belt, One Road”-Initiative. Fakieh war bisher der Wirtschaftsminister Saudi-Arabiens. Im März organisierte er anlässlich des Besuchs von König Salman in China eine Veranstaltung von über 500 Geschäftsmännern aus China und Saudi-Arabien. Bei der Zusammenkunft wurden 45 Abkommen unterzeichnet, um den bilateralen Handel zu fördern, berichtet Arab News.

Nach Angaben des Blatts sollen die Abkommen, die von energiepolitischen Kooperationen bis zum Bereich der Raumfahrt reichen, einen Wert von 65 Milliarden Dollar haben.

Auch die Financial Times berichtet im August, China habe eine reale Chance, dass Saudi Aramco seinen Börsengang in China vornimmt.

Ibrahim al-Assaf ist ehemaliger Finanzminister und Mitglied im Vorstand von Saudi Aramco. Er ist ein Unterstützer enger saudisch-chinesischer Beziehungen in den Kooperationsbereichen der Energie und der Infrastruktur. Zudem leitete er auf der saudischen Seite die saudisch-chinesische Kommission für wirtschaftliche und technische Kooperation. Er war Co-Vorsitzender der Kommission, so das chinesische Handelsministerium in einer Mitteilung.

Aus einer Depesche der US-Botschaft in Riad, die von Wikileaks veröffentlicht wurde, geht al-Assafs Interesse an engen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und China hervor: „Während der Sitzung der gemeinsamen Kommission drängte der saudische Finanzminister Ibrahim Al-Assaf Berichten zufolge die Chinesen dazu, sich an weiteren Joint Ventures zu beteiligen (...). Beide Staaten hätten nur 19 gemeinsame Projekte. Al-Assaf begrüßte auch Chinas Infrastrukturprojekte im Königreich, die einen Wert von 44 Milliarden Riyal (11,7 Milliarden Dollar) haben.”

Amr al-Dabbagh, ehemaliger Vorsitzender der General Investment Authority (SAGIA), sagte in einem Interview mit Bloomberg im Jahr 2012, dass Saudi-Arabien China und Indien dazu ermutige, Investitionen in Saudi-Arabien zu tätigen – vor allem im Energiebereich.

Dieser Ansatz von al-Dabbagh geht auch aus dem Buch „China's Energy Strategy: The Impact on Bejing's Maritime Policies” hervor. Es sei für China wesentlich lohnenswerter, in die saudische Energie-Infrastruktur zu investieren. Schließlich habe das Land mehr davon, Öl in Saudi-Arabien zu produzieren statt ausschließlich auf den Import von Öl angewiesen zu sein, so al-Dabbagh.

Khaled Al-Tuwaijri, der Vorsitzende des Königlichen Gerichts, sagte am 24. August anlässlich des Besuchs des chinesischen Vize-Premiers Zhang Gaoli, dass eines der Hauptziele Saudi-Arabiens die „Diversifizierung seiner Finanzierungsbasis” sei. Riad habe ein großes Interesse daran, Finanzierungen in den Renminbi und weitere chinesische Produkte vorzunehmen. Die Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) und weitere chinesische Institutionen hätten schon Interesse gezeigt, zitiert Reuters Al-Tuwaijri. So sind beispielsweise Panda-Anleihen Onshore-Renminbi-Anleihen, die von ausländischen Unternehmen auf dem chinesischen Kapitalmarkt begeben werden können. ICBC-Chef Wang Liyan sagte, dass seine Bank bereit sei, saudische Emissionen von Panda-Anleihen zu sponsern. Al-Tuwaijri fügte hinzu, dass es Saudi-Arabien nicht nur darauf ankomme, Geld im Ausland zu sammeln, um sein Haushaltsdefizit zu mindern, sondern auch Wirtschaftsprojekte zu finanzieren. Saudi-Arabien sei auch interessiert, über sein Public Investment Fund (PIF) nach Investitionsmöglichkeiten in den Infrastruktursektor Chinas suche.

China, Saudi-Arabien, Seidenstraße

Der eigentliche Durchbruch zwischen China und Saudi-Arabien im Rahmen des Projekts „One Belt, One Road” wurde bei einem Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping im Januar 2017 erzielt. Der saudische König sagte damals nach Angaben von Foreign Affairs: „Saudi-Arabien ist bereit, eng mit China zusammenzuarbeiten, um den globalen und regionalen Frieden, die Sicherheit und den Wohlstand zu fördern”. Er hoffe, dass sich China aktiver in den Nahen Osten einbringe.

Der saudische Botschafter in Peking, Turki Bin Mohamed Al-Mady, sagte der Nachrichtenagentur Xinhua, dass „One Belt, One Road” der „saudischen Vision 2030” – ein Projekt zur Privatisierung von saudischen Unternehmen – kreative Beiträge leisten könne. „Saudi-Arabien misst dem chinesischen Seidenstraßen-Projekt eine große Bedeutung bei (...). Beide Länder haben ein großes Potenzial – sei es im Infrastrukturbereich oder bei Finanzinnovationen (...). Saudi-Arabien ist eines der ersten Länder, die positiv auf das Projekt ‚One Belt, One Road’ reagiert haben. Was die strategische Lage angeht, dient Saudi-Arabien als zentraler Knotenpunkt zwischen drei Kontinenten Asien, Afrika und Europa – und ist somit ein wichtiger Teil der Initiative”, so Al-Mady.

Die neue Seidenstraße

Die neue Seidenstraße umfasst zwei Routen. Eine Route verläuft über den Landweg, die andere über den Seeweg. Die Landroute beginnt im chinesischen Xian und verläuft über Zentralasien nach Duschanbe in Tadschikistan. Von dort aus geht die Route weiter über Turkmenistan, den Iran, Nordirak, Nordostsyrien, Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Russland (Moskau), Weißrussland, Polen, Deutschland und die Niederlande (Rotterdam). Von Rotterdam aus verläuft die Route durch Österreich bis nach Italien (Venedig).

Die Seeroute beginnt im chinesischen Fuzhou und verläuft von da aus nach Jakarta. Ab Jakarta geht es weiter nach Colombo in Sri Lanka, Kolkata in Indien und von dort weiter nach Nairobi in Äthiopien. Von Nairobi aus erstreckt sich der Seeweg über den Golf von Aden und den Suezkanal nach Athen und dann nach Italien. Die Seeroute endet in Venedig und trifft dort mit der Landroute der Neuen Seidenstraße zusammen.

Michael Tanchum vom Truman Institute führt in einer Analyse des Eurasia Forums aus, dass Saudi-Arabien auf der Seeroute von “One Belt, One Road” eine herausragende Rolle spiele. Saudi-Arabien sei ein wichtiger Knotenpunkt im Rahmen der Initiative.

Im Jahr 2015 hielt Saudi Aramco-Chef Khalid Falih eine Rede auf dem China Development Forum in Peking. Dabei machte er deutlich, dass Saudi Aramco seine Kooperation mit dem chinesischen Energie-Riesen SINOPEC im Rahmen der “One Belt, One Road”-Initiative vertiefen wolle. Über die Seestraße soll nach Angaben von Falih Westchina über den Indischen Ozean mit den Ölterminals Saudi-Arabiens verbunden werden. “In Saudi-Arabien haben wir zusammen mit SINOPEC den weltweit modernsten und umweltfreundlichsten Raffinerie-Komplex im Roten Meer in Betrieb genommen”, zitiert die Pressestelle von Saudi Aramco Falih.

Die Seidenstraßen-Karawane unserer Zeit seien saudische Super-Tanker, die China mit Energie beliefern und somit die Entwicklung des Landes vorantreiben. Im Gegenzug würden chinesische Containerschiffe Saudi-Arabien mit wertvollen Gütern versorgen.

Ob sich die aktuellen Festnahmen und Korruptions-Untersuchungen und die anschließende Neubesetzung der Posten im saudischen Staat und in der saudischen Wirtschaft sich auch auf die saudisch-chinesischen Beziehungen auswirken werden, bleibt unklar.


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