Die USA und die Türkei haben die wechselseitige Visa-Erteilung wieder aufgenommen. Alle Einschränkungen bei der Vergabe von Visa seien aufgehoben worden, teilte die US-Botschaft in Ankara am Donnerstag mit. Im Gegenzug erklärte die türkische Botschaft in Washington, die Auflagen für Amerikaner bei Reisen in die Türkei seien gestrichen worden. Beide Länder beenden damit einen Streit, der sich an der Inhaftierung eines türkischen Mitarbeiters der US-Botschaft entzündet hatte.
Die türkischen Behörden hätten bedeutende Zusagen in dem Fall gemacht, teilte die amerikanische Gesandtschaft mit. Dem widersprach die türkische Botschaft in Washington. Es sei nicht rechtens, seitens der USA zu behaupten, die Türkei habe Zusicherungen abgegeben und damit die Öffentlichkeit in Amerika und der Türkei falsch zu informieren.
Die türkischen Behörden hatten vergangenen Oktober einheimische Mitarbeiter der diplomatischen und konsularischen US-Vertretungen festgenommen. Ihnen wurde vorgeworfen, Verbindungen zu dem in den USA lebenden türkischen Prediger Fethullah Gülen zu haben. Dieser ist nach Darstellung der Türkei der Drahtzieher des Putschversuchs im vergangenen Jahr. Die US-Regierung verurteilte die Festnahme als grundlos, die Visa-Vergabe an Türken wurde ausgesetzt. Wenig später kündigte die türkische Vertretung in Washington den gleichen Schritt an.
Die gegenseitige Aufhebung der Beschränkungen könnten auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen der Türkei und den USA hindeuten.
Die Annäherung könnte auf Kosten Russland gehen – und die Lage in Syrien erneut explosiv werden lassen. Eine Nachkriegsordnung in Syrien mit Präsident Baschar al-Assad an der Spitze ist für den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan unvorstellbar. „In Syrien mit Assad zu gehen, funktioniert absolut nicht“, sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch bei einem Besuch in Tunis.
Assad sei ein „Terrorist“, fügte Erdogan auf der Pressekonferenz mit seinem tunesischen Amtskollegen Beji Caid Essebsi hinzu. Man könne keine Zukunft mit einem Präsidenten planen, der „fast eine Millionen Bürger getötet“ habe, sagte Erdogan weiter nach Angaben von Anadolu.
Damaskus konterte über die staatliche Nachrichtenagentur, Erdogan habe die Türkei in ein „riesiges Gefängnis“ verwandelt und ersticke die Medien.
Die Türkei hatte bisher mit Russland zusammengearbeitet – allerdings kritisierten die Russen am Mittwoch, dass die USA erneut eine Destabilisierung Syriens plane.
Die staatliche russische Nachrichtenagentur Sputnik zitiert einen Orient-Experten mit den Worten: „Russland drängte Ankara lange zur Änderung seiner Position, zur Annäherung an Moskau, doch ist es dazu leider nicht gekommen. Die Türkei verfolgt weiterhin ihre eigenen Ziele in Syrien, darunter die mögliche Annexion einiger syrischer Gebiete. Man darf nicht vergessen, dass die Gebiete an der Grenze der zwei Länder de facto von türkischen Militärs annektiert sind (...). Eine der Hauptaufgaben für die türkische Führung ist (...), die eigenen Interessen auf allen Gebieten, die einst zum Osmanischen Reich gehörten, zu fördern – der Neoosmanismus.“
Die Neuorientierung nach Westen könnte für den türkischen Präsidenten allerdings auch ganz handfeste Gründe haben: Die USA haben mit der Verhaftung eines engen Erdogan-Vertrauten wegen Korruptionsverdachts ein wirkungsvolles Mittel in der Hand, um den türkischen Präsidenten unter Druck zu setzen.