Politik

Ökonomin: Kein Rundfunkbeitrag für Kommerz bei ARD und ZDF

Die Ökonomin Henseler-Unger legt ein neues Modell vor, wie die öffentlich-rechtlichen Sender zu ihrem Grundauftrag zurückgeführt werden könnten, um den Rundfunkbeitrag im Rahmen zu halten.
31.12.2017 01:34
Lesezeit: 3 min

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Iris Henseler-Unger, Geschäftsführerin des wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK GmbH), präsentierte beim CDU-Wirtschaftsrat in der Arbeitsgruppe Medienwirtschaftspolitik im Dezember einen interessanten Ansatz, wie die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland reformiert werden könnten. Eine solche grundlegende Reform sei notwendig. Henselen-Unger: „Wie jeder Sektor auch muss sich der Fernsehbereich dem strukturellen Wandel der Technik und im Nutzer-verhalten stellen.“ Die Positionierung der Sender solle sich strikt an der Frage orientieren, welche „Bedürfnisse der Nutzer“ im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Programme hat. Es gehe um den „public value für den Bürger und Gebührenzahler“. Je nach Marktsegment müssen sich alle Marktteilnehmer fragen: „Was will der Nutzer? Wieviel ist er bereit, dafür zu zahlen? Zahl er ein Abonnement, eine pauschale Gebühr? Akzeptiert er Werbung? Ist er mit der Preisgabe seiner Daten einverstanden?“

Die Ökonomin zieht vor dem komplexen Wettbewerbsumfeld den Vergleich mit anderen Branchen, in denen hoheitliche Aufgaben mit der Privatwirtschaft in Einklang zu bringen sind. Henseler-Unger schlägt daher aus ökonomischer Sicht ein „Vorgehen wie in anderen regulierten Bereichen“ vor und fordert eine „Trennung der für Regulierung relevanten Bereiche von anderen Geschäftsaktivitäten“. Sie versteht ihren Ansatz als einen „Dritten Weg“. Der Idee, dass der beste Ausgleich erzielt würde, wenn alle Anbieter von einer staatlichen Abgabe finanziert würden, wie die der ProSiebenSat.1-Vorschlag mit Gebühren für alle vorsieht, erteilt sie ein Absage. Sie glaubt auch nicht, dass eine Privatisierung des ZDF die Lösung wäre, wie wohl dies „in der Konsequenz möglich“ wäre.

Der ökonomische Grundansatz richtet sich nach Modellen, die sich bereits bewährt haben: So gäbe es im Energiesektor eine „strikte Separierung, bei der Bahn eine Separierung im Konzernverbund und bei der Telekommunikation die getrennte Rechnungslegung“.

In diesem Sinne sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk umgebaut werden. Die Folgen wären eine „rationale, transparente und von Dritten kontrollierbare Kosten-Nutzen-Analyse, eine klare Aufgabenbeschreibung und eine strukturelle Separierung“ der Aufgaben.

Henseler-Unger hält dazu folgende Schritte für notwendig:

  • Konkrete Bestimmung des öffentlich-rechtlichen Auftrags (Public Value, z.B. Bildung, Kultur, Informationen)
  • Klare Trennung der Sendungen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags von denen mit kommerziellen Inhalten
  • Klare Kennzeichnung kommerzielle Inhalte, Lockerung der Werbevorschriften für diese Inhalte
  • Separierung der Kosten nach Sendeinhalten (kommerziell/öffentlicher Auftrag)
  • Separierte Darstellung im Netz (kommerziell/öffentlicher Auftrag, m.E. ohne Restriktion, da Quersubventionierung durch strukturelle Separierung nicht möglich wäre)
  • Effizienter kostensparender Einsatz der Gebühren nur für Sendungen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags (wahrscheinlich implizit Reduktion der ausufernden Sendervielfalt)

Eine solche Regelung würde auch als „Begründung für Must-Carry“ dienen können, also die Verpflichtung von Plattform- und Kabelanbietern, die öffentlich-rechtlichen Sender auch in ihr Angebot aufzunehmen. Es gäbe „keine Indexierung der Finanzierung, stattdessen eine regelmäßige Überprüfung“.

Die Ökonomin fordert einen „einheitlicher Rechtsrahmen (z.B. AVMD-Richtlinie)“, ein „Hinterfragen des Föderalismus bei Sendern wie ARD und bei der Medienaufsicht“ sowie eine „unabhängige Regulierungsbehörde, Kommission o.ä. z.B. zur Überwachung, ob die strukturelle Separierung eingehalten wird“. Henselen-Unger ist überzeugt, mit diesem Ansatz auch den Teufelskreis von aufgeblähten Kontrollapparaten, die aber trotz aller Bürokratie keine Transparenz bei den Finanzen der Sender schaffen, zu durchbrechen: „Je tiefer die Separierung ist, desto geringer wird die Überprüfungstiefe sein müssen.“

Die Sender selbst haben unterschiedliche Pläne, wie sie die steigenden Kosten in den Griff bekommen wollen. So hat die ARD unter der Federführung von Karola Wille eine Entlastung bei den Betriebsrenten um knapp eine Milliarde Euro geplant. Außerdem soll die IT-Infrastruktur vereinheitlicht werden. Die Vorschläge wurden kürzlich in einem Papier vorgelegt.

Der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm hat Einschnitte im Programm angekündigt, falls der Rundfunkbeitrag nicht erhöht wird. "Es würden kurzfristig drei Milliarden Euro fehlen, die wir im Wesentlichen im Programm einsparen müssten", sagte der BR-Intendant in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. "Jenseits des Programms, also bei Technik und Verwaltung, zu sparen ist schon weitgehend ausgereizt, denn das tun wir seit Jahren."

Der Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio ist bis 2020 auf 17,50 Euro pro Haushalt im Monat festgelegt. Ob er danach steigt, steht noch nicht fest. Die Öffentlich-Rechtlichen verlangen einen Teuerungsausgleich. Aus dem Kreis der Ministerpräsidentenkonferenz kam dagegen die Forderung nach Beitragsstabilität. Die Expertenkommission KEF legt im Frühjahr ihren nächsten Zwischenbericht vor.

Wilhelm will an der bisherigen Vermischung von Kommerz und öffentlich-rechtlichem Auftrag festhalten und behauptet im Hinblick auf die teuren und höchst umstrittenen Sportrechte: "Die Zuschauer wollen gerade die Fußball-Nationalmannschaft bei uns. Der Fußball muss aufpassen, dass er die gesellschaftliche Bindung nicht verliert, wenn er wesentliche Inhalte ins Pay-TV vergibt." Auch den Verantwortlichen des Fußballs in Deutschland sei klar, dass das öffentlich-rechtliche Programm für eine breite Verankerung des Fußballs in der Bevölkerung sorge. "Die Champions League ist erstmals in ganz Europa nur noch im Pay-TV zu sehen", sagte Wilhelm. "Ich denke, dass die Breitenwirkung dieses Wettbewerbs in der Bevölkerung dadurch geschwächt wird."

Neben der reinen Sportberichterstattung sei auch eine ausführliche Analyse von Moderator und Sportexperten wichtig, zudem eine sportpolitische Vor- und Nachberichterstattung. "Das können Privatsender mit ihrem Finanzierungsmodell nicht. Wir nehmen uns die Zeit für eine umfassende Berichterstattung und verbinden Massensportarten und Randsportarten."

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