Deutschland

Martin Schulz fordert Ende der Austerität in der EU

SPD-Chef Martin Schulz hat in der Union mit Aussagen Widerstand hervorgerufen, wonach die Einigung in Fragen zur EU das Ende des Spardiktats darstelle.
05.02.2018 17:34
Lesezeit: 3 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In ihren Koalitionsverhandlungen haben CDU, CSU und SPD in der Europapolitik eine Einigung erzielt. SPD-Chef Martin Schulz teilte am Montag mit, die Beratungen dazu seien abgeschlossen. Das Ergebnis sei „ein dringend nötiges Signal für einen neuen Aufbruch für Europa“. Erfolge aus SPD-Sicht seien „mehr Investitionen, ein Investitionshaushalt für die Eurozone und ein Ende des Spardiktats“. Vorgesehen seien mehr Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit. Auch eine „gerechte Besteuerung von Unternehmen, gerade auch der Internetgiganten Google, Apple, Facebook und Amazon in Europa“, sei vereinbart.

Der CDU-Wirtschaftsrat kritisiert die Schulz-Äußerung, dass das beschlossene Europakapitel das „Ende des Spardiktats“ sei. „Europapolitik wird auch in einer großen Koalition nicht in der SPD-Zentrale gemacht“, sagt Wirtschaftsrat-Generalsekretär Wolfgang Steiger der Nachrichtenagentur Reuters. Es dürfe nicht länger der Eindruck entstehen, dass die Union in der Europapolitik das Feld räumt und einer SPD folgt, die unter „pro europäisch“ nur mehr Umverteilung in die Krisenländer verstehe. „Damit würde die Union einen wesentlichen Teil ihres Markenkerns aufgeben.“

Seit einigen Tagen rumort es in der Union, weil die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer vertieften Finanz-Integration in der EU und möglicherweise einer stärkeren Einbindung deutscher Steuerzahler unklar ist.

Die Koalitions-Unterhändler haben sich am Montag zudem auf finanzpolitische Eckpfeiler einer schwarz-roten Regierungskoalition geeinigt. Sie wollen kleine Banken weniger streng regulieren als große Geldhäuser, wie aus einem der Nachrichtenagentur Reuters am Montag vorliegenden Papier hervorgeht, das allerdings noch von den Verhandlungsspitzen gebilligt werden muss. Internetwährungen wie Bitcoin wollen die Koalitionäre stärker unter Aufsicht stellen, um Missbräuche zu verhindern. Die dahinter stehende Technologie aber soll auf ihre Potenziale hin abgeklopft werden. Missbräuche zur Umgehung der Grunderwerbssteuer wollen sie nach Möglichkeit abstellen. Und mit Blick auf den Brexit soll der Finanzplatz Deutschland für Spitzenbanker attraktiver gemacht werden.

In dem Papier werden die in den Sondierungsergebnissen von SPD, CDU und CSU festgeschriebenen Grundsätze noch einmal fixiert: ein ausgeglichener Haushalt ohne neue Schulden sowie ein Schuldenstand des deutschen Staates von bald wieder unter 60 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Wie groß am Ende des Tages der zusätzliche finanzpolitische Spielraum für neue Vorhaben und Programme ist, bleibt allerdings noch umstritten. In dem Papier sind erneut Projekte im Umfang von rund 46 Milliarden Euro für den Zeitraum 2018 bis 2021 aufgeführt. Die Verhandler gehen aber inzwischen von noch größeren Möglichkeiten aus. „Zusätzliche finanzielle Spielräume werden bevorzugt für die weiteren Vorhaben in den Bereichen Digitalisierung, Entwicklungspolitik und Bundeswehr genutzt“, heißt es dazu.

Die Verhandler wollen sich dem Papier zufolge ganz besonders um die kleineren Banken in Deutschland kümmern. „Regional tätige Finanzinstitute wie Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Förderbanken sind wichtige Finanzpartner vieler Menschen und Unternehmen in unserem Land“, heißt es. Sie seien eine wichtige Säule für die Stabilität im Finanzsystem. Bei der Regulierung werde daher unterschieden, ob es sich um solche Geldhäuser beziehungsweise kleine und mittlere Privatbanken handele oder um systemrelevante Großbanken. Für Finanzinstitute außerhalb des Banken- und Versicherungssektors wie Hedgefonds und Schattenbanken soll ein Kriterienkatalog zur Prüfung ihrer Bedeutung für das Finanzsystem erstellt werden. Zugleich wollen Union und SPD die Wirkungen der nach der Finanzmarktkrise beschlossenen neuen Regeln auf Schwachstellen hin prüfen.

Ein besonderes Augenmerk wollen die Koalitionäre auch den umstrittenen Internetwährungen widmen, die unter heftigen Kursschwankungen leiden und von etlichen Experten als ein Stabilitätsrisiko gesehen werden. Allerdings wird die hinter diesen Währungen stehende Blockchain-Technologie als zukunftsträchtig beurteilt. Um deren Potenziale zu erschließen, zugleich aber Missbrauchsmöglichkeiten zu verhindern, wird eine „umfassende Blockchain-Strategie“ angekündigt. Die Rede ist generell von erweiterten Möglichkeiten des bargeldlosen Zahlens. Es heißt aber auch: „Anonymes Bezahlen mit Bargeld muss weiterhin möglich bleiben“.

Im steuerlichen Bereich wollen die Koalitionäre Missbräuche bei der den Ländern zustehenden Grunderwerbsteuer unterbinden. „Nach Abschluss der Prüfarbeiten durch Bund und Länder werden wir eine effektive und rechtssichere gesetzliche Regelung umsetzen, um missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals zu beenden“, hieß es in dem Papier. Bei diesen „Share-Deals“ werden die Immobilien nicht direkt verkauft. Damit muss auch keine Grunderwerbsteuer gezahlt werden. Vielmehr wird die Immobilie in eine Firma eingebracht, deren Anteile dann weiterveräußert werden. Diese Praxis ist in der Immobilienwirtschaft und Geldwirtschaft sehr verbreitet.

Union und SPD wollen außerdem mehr Spitzenbanker nach Deutschland locken und für sie den Kündigungsschutz aufweichen. „Angesichts des bevorstehenden Austritts Großbritanniens aus der EU wollen wir den Standort Deutschland für Finanzinstitute attraktiver gestalten“, heißt es in dem Papier der Unterhändler. Den Plänen zufolge sollen Banker, deren jährliche regelmäßige Grundvergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet, arbeitsrechtlich leitenden Angestellten gleichstellt werden, für die ein weniger strenger Kündigungsschutz gilt. Im Werben um Brexit-Banken hatte der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) vor einem Jahr dafür plädiert, dass für Banker mit einem Jahreseinkommen von mehr als 300.000 Euro neue Regeln gelten sollten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kursgewinne oder Verluste: Anleger hoffen auf drei entscheidende Auslöser für Börsenrally
18.07.2025

Zölle, Zinsen, Gewinne: Neue Daten zeigen, welche drei Faktoren jetzt über Kursgewinne oder Verluste entscheiden. Und warum viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wenn Kunden nicht zahlen: So sichern Sie Ihre Liquidität
18.07.2025

Alarmierende Zahlen: Offene Forderungen in Deutschland sprengen die 50-Milliarden-Euro-Marke. Entdecken Sie die Strategien, mit denen Sie...