Die Europäische Zentralbank (EZB) will trotz sich verschlechternder Wachstumsaussichten ihren Kurs „mit ruhiger Hand“ weiterführen. Nach einem starken Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr sammelten sich dieses Jahr in fast allen Ländern der Eurozone Anzeichen für eine „Mäßigung“, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt am Main. Mit Sorge betrachtet er die lauter werdende Diskussion um protektionistische Maßnahmen weltweit.
Draghi geht davon aus, dass die drohenden Strafzölle der USA auf europäischen Stahl und Aluminium für sich genommen keinen „substanziellen“ Einfluss auf die hiesigen Exporte haben werden. Allerdings machen ihm mögliche Vergeltungsmaßnahmen Sorgen. Diese könnten das Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung „schnell und tiefgreifend“ verschlechtern und dementsprechend auch die Wachstumsaussichten beeinflussen.
In Berliner Regierungskreisen hieß es am Donnerstag, die Bundesregierung rechne damit, dass die Ausnahme der EU von den Strafzöllen nächsten Dienstag auslaufen wird. Die Regierung erwartet demnach nicht, dass der Besuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Washington US-Präsident Donald Trump umstimmen könnte.
Draghi sagte nach der Ratssitzung in Frankfurt am Main, die EZB betrachte die wirtschaftliche Entwicklung mit „Vorsicht“. Diese werde aber gemildert von der Zuversicht, dass die Geldpolitik der Eurozone in den vergangenen Jahren zu einem Aufschwung verholfen habe und sich die Inflationsrate mittelfristig erhöhen werde. Im März lag sie in der Eurozone bei 1,3 Prozent.
Auch die geschäftsführende italienische Regierung stellt sich auf ein Abflauen des Aufschwungs ein. Der amtierende Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan veranschlagt laut am Donnerstag vorgelegten Zahlen ein Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das laufende Jahr von 1,5 Prozent. 2019 soll das Wachstum dann auf 1,4 Prozent sinken und 2020 schließlich bei einem Wert von 1,3 Prozent landen.
Beim Abbau des Schuldenbergs dürfte das Land nach Einschätzung der Regierung im laufenden Jahr nicht so schnell vorankommen wie ursprünglich gedacht. Demnach dürfte der Schuldenstand 2017 um einen Prozentpunkt auf 130,8 Prozent des BIP sinken. Bislang hatte Rom 130,0 Prozent angepeilt.
Italien gehört zu den am höchsten verschuldeten Industriestaaten. Vor den Wahlen im März hatten fast alle Parteien mit Plänen zum Abbau der Verbindlichkeiten um Stimmen geworben. Die Fünf-Sterne-Bewegung ging als stärkste politische Kraft aus dem Urnengang hervor und will mit den Sozialdemokraten Sondierungsgespräche für eine Regierungskoalition führen. Sollten die Beratungen scheitern, muss es laut dem Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, Neuwahlen geben.
***
Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:
Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.