Die von der saudischen Regierung angekündigten weitreichenden Reformen stoßen bei einigen Investoren auf Skepsis. Ihnen zufolge könnte die angestrebte Öffnung des Aktienmarktes sowie der Börsengang der staatlichen Ölgesellschaft Saudi Aramco nur zu kurzfristigen Gewinnen führen und keinen dauerhaften Aufschwung herbeiführen.
Derzeit bereiten sich Anleger auf eine Aufnahme des saudischen Aktienmarktes in den Schwellenland-Index des Anbieters MSCI auf, was zu einer grundlegenden Änderung der Besitzverhältnisse saudischer Unternehmen führen könnte, welche bislang in der Regel von Familien kontrolliert werden. Derzeit halten Ausländer nur etwa 5 Prozent des Aktienmarktes des Landes.
„Der größte Aktienmarkt der arabischen Welt wird es schwer haben, das ausländische Geld auch wirklich im Land zu halten, es sei denn, die Unternehmen werden viel transparenter. Diese Firmen sind den Umfang der Kontrollmöglichkeiten der Großaktionäre nicht gewohnt“, wird ein Analyst von Namara Waelth Advisors von Bloomberg zitiert.
Bloomberg zufolge könnte die Aufnahme saudischer Unternehmen in den MSCI Emerging Markets Index zum Zufluss von bis zu 50 Milliarden Dollar führen. Investoren verweisen jedoch auf strukturelle Probleme, die einem langfristigen Engagement im Land bislang noch entgegenstehen. Ein Analyst von Hermes Investment Management fordert mehr Beweise für den von der Regierung unter Kronprinz Mohammed bin Salman eingeleiteten Reformversuch, mit dem die Wirtschaft des Landes aus der Abhängigkeit vom Ölgeschäft geholt werden soll. Dazu gehöre auch, dass eine Rechtsstaatlichkeit aufgebaut und bewahrt werden müsse.
Ein Analyst des Kuwait Financial Centre fordert, dass saudische Unternehmen fortan vierteljährliche Präsentationen abhalten und Prognosen zum Geschäftsverlauf veröffentlichen sollten, um ausländisches Kapital anzuziehen. „Andernfalls wird neugieriges Kapital nach der Listung im MSCI-Index zwar fließen, aber nicht bleiben.“
Ein weiterer Grund für Skepsis ist die geldpolitische Normalisierungsstrategie der US-Zentralbank Federal Reserve, welche die Zinskosten für Anleihen und Kredite in Dollar in den Schwellenländern künftig deutlich verteuern dürfte. Das ölreiche Saudi-Arabien hatte sich im Jahr 2016 erstmals Geld an den internationalen Anleihemärkten geliehen, hat also damit begonnen – wenn auch im internationalen Vergleich moderate – Schulden anzuhäufen.
Der möglicherweise bevorstehende Einstieg internationaler Investoren in Saudi-Arabien fällt in eine Periode ohnehin schon hoher Bewertungen an den Aktienmärkten. Saudische Aktien sind zu einer Zeit teuer geworden, in der Anleger damit beginnen, die zweijährige Rally in den Märkten der Schwellenländer zu hinterfragen. Die Bewertungen an Saudi-Arabiens Tadawul-Index liegen mit Blick auf das kommende Jahr derzeit bei dem 15-fachen der erwarteten Gewinne pro Aktie – der MSCI Emerging Markets Index hingegen bei dem 12-fachen. Der Unterschied zwischen den beiden Indizes ist damit so groß wie seit 2015 nicht mehr. „Wir machen uns um die Langfristigkeit dieses Zyklus Sorgen. Wir haben nicht vor, noch mehr zu investieren“, wird ein Investor von JO Hambro Capital Management zitiert.
Dem islamisch-konservativen Königreich, das sehr viel Geld in die Rüstung steckt, machte in den vergangenen Jahren der Ölpreisverfall schwer zu schaffen. Das Haushaltsdefizit lag 2017 bei 8,9 Prozent. Das entspricht einem Minus von 230 Milliarden Rial (etwa 52 Milliarden Euro). Die Wirtschaftsleistung sank zudem erstmals seit Jahren.
Um die Reformanstrengungen zu finanzieren, führte die Regierung zu Jahresbeginn eine Mehrwertsteuer ein und erhöhte die Benzinpreise um mehr als 80 Prozent.
Mit Sonderzahlungen in Milliardenhöhe will Riad die Wirtschaftsreformen für seine Bürger nun abfedern. Angestellte des Staates und alle Militärangehörigen erhalten ein Jahr lang monatlich 1000 Rial (rund 220 Euro) zusätzlich, wie die Regierung kürzlich mitteilte. Das Geld solle die gestiegenen Lebenshaltungskosten ausgleichen. Pensionäre bekämen 500 Rial extra, Stipendien für Studenten stiegen um zehn Prozent.
Nach Angaben eines hohen Regierungsberaters belaufen sich die Ausgaben auf insgesamt mehr als 50 Milliarden Rial (etwa 11 Milliarden Euro). Auch mehrere saudische Privatunternehmen wollen ihren Mitarbeitern Sonderzahlungen zukommen lassen.
Der geplante Börsengang der staatlichen Ölgesellschaft Saudi Aramco könnte zwar Geld in den Staatshaushalt spülen. Unklar ist jedoch derzeit, wann der Börsengang stattfinden wird und wieviel Geld die Saudis damit erlösen können, weil die sehr hoch veranschlagte Bewertung des Unternehmens durch die Regierung von Investoren angezweifelt wird.
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