Deutschland

Defizit der gesetzlichen Pflegeversicherung steigt deutlich

Lesezeit: 2 min
19.05.2018 22:37
Das Defizit in der gesetzlichen Pflegeversicherung steigt deutlich an.
Defizit der gesetzlichen Pflegeversicherung steigt deutlich

In der gesetzlichen Pflegeversicherung zeichnet sich nach Berechnungen der Krankenkassen bis Ende des Jahres ein Defizit von rund drei Milliarden Euro ab. Dieses wäre drei Mal so hoch wie erwartet. Der Grund für die Mehrausgaben von rund zwei Milliarden Euro ist nach Angaben des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein durch die Reformen der vergangenen zwei Jahre ausgelöster Boom bei den Pflegeleistungen. Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, es werde mehr Geld benötigt. "Aus heutiger Sicht wären das 0,2 Beitragssatzpunkte, die spätestens dann auch im nächsten Jahr benötigt würden", sagte der CDU-Politiker. Es werde nun einen Kassensturz geben. In zwei bis drei Wochen werde eine genauere Übersicht zur Entwicklung der Pflegefinanzen vorliegen.

Laut Spahn sollen nun die finanziellen Auswirkungen der jüngsten Reformen für die Finanzen der Pflegeversicherung abgeklärt und in Verbindung gesetzt werden mit den geplanten Reformen. Insgesamt sei es aber eine gute Nachricht, dass die Verbesserungen durch die Reformen mehr Pflegebedürftige und Angehörige erreichten als angenommen. Zurzeit liegt der Beitragssatz bei 2,55 Prozent des Bruttolohns, Kinderlose zahlen 2,8 Prozent.

Ende 2016 erhielten dem GKV-Spitzenverband zufolge 2,95 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung, bis Ende 2018 sei mit rund 3,46 Millionen Leistungsempfängern zu rechnen. Zurückzuführen sei der Boom auf die seit Anfang 2017 geltende neue Definition von Pflegebedürftigkeit und die Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade. Im Vergleich zur ursprünglichen Annahme sind dadurch 2017 rund 115.000 Menschen in der ambulanten Pflege mehr in die Pflegeversicherung gekommen als erwartet. Allein daraus ergeben sich Mehrausgaben von rund 900 Millionen Euro. Hinzu kommen Struktureffekte, weil sich beim Umstieg auf die Pflegegrade viele Betroffene finanziell verbessert haben. Dies schlägt mit 500 Millionen Euro zu Buche. Bessere Leistungen zur sozialen Sicherung der pflegenden Angehörigen kosten demnach einen hohen dreistelligen Millionenbetrag.

Befürchtungen, dass durch die Reform und den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff viele Betroffene schlechter gestellt würden, hätten sich nicht bewahrheitet, sagte der Vorstand des GKV-Verbands, Gernot Kiefer. "Das Gegenteil ist eingetreten." Auch Spahn sagte, die Menschen würden mit der Reform eher besser eingestuft. Daher seien mehr Finanzmittel notwendig als geplant.

Der Minister begrüßte zugleich den Vorschlag des Pflegebevollmächtigten der Regierung, Andreas Westerfellhaus, mit Geldprämien für Pflegefachkräfte gegen die Personalnot in Heimen und Kliniken vorzugehen. Fachkräfte, die in ihren Beruf zurückkehren oder bei Teilzeit ihre Arbeitszeit spürbar erhöhen, sollen laut Westerfellhaus einmalig bis zu 5000 Euro steuerfrei erhalten. Pflegefachkräfte, die direkt nach ihrer Ausbildung in eine Festanstellung gingen, sollten eine Prämie von 3000 Euro erhalten, sagte er der "Rheinischen Post". Spahn sagte, der Vorschlag werde eingebracht in die Diskussion, wie man den Pflegeberuf attraktiver machen könne. Er werde bei der geplanten Konzertierten Aktion Pflege mit den Berufsverbänden besprochen.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...