Nach Hamburg wird auch die Stadt Aachen aller Voraussicht nach Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge erlassen. Das Verwaltungsgericht entschied am Freitag, Durchfahrtsbeschränkungen seien unvermeidbar, wenn die Grenzwerte für die Stickoxidbelastung durch andere Maßnahmen bis zum Ende des Jahres nicht eingehalten werden. "Es ist zu 98 Prozent wahrscheinlich, dass es zu einem Dieselfahrverbot kommt", erläuterte der Vorsitzende Richter Peter Roitzheim. Die verschiedenen Maßnahmen zur Luftreinhaltung sollten nun in einer Analyse geprüft werden. Mit Ergebnissen sei in zwei bis drei Wochen zu rechnen. Zuvor hatte bereits Hamburg als erste Großstadt zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt.
Während die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Urteil als richtungsweisend feierte, zeigte sich Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp enttäuscht. Die Entscheidung berücksichtige nicht die Anstrengungen, die die Stadt in den vergangenen Jahren zur Luftreinhaltung unternommen habe, kritisierte der CDU-Politiker. Er hoffe, dass mit anderen Maßnahmen ein Dieselfahrverbot vermieden werden könne. "Wir teilen nach wie vor nicht die Auffassung, dass ein wie auch immer zu gestaltendes oder zu begrenzendes Dieselfahrverbot das verhältnismäßige Mittel zur Erreichung der erforderlichen Luftqualität ist."
Dagegen sieht die DUH in Fahrverboten ein wichtiges Mittel, um die Menschen in Städten von gesundheitsschädlichem Stickoxid zu entlasten. "Ab 2019 werden die Bürger in Aachen eine bessere Luft haben", sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. Das Urteil sei eine wichtige Orientierung für die Gerichte in bundesweit 27 weiteren Verfahren, die die Umwelthilfe führt, sagte Resch. Er fordere die für die Luftreinhaltung zuständigen Landesregierungen auf, nun unmittelbar für alle Städte und Gemeinden in Deutschland entsprechende Diesel-Fahrverbote umzusetzen. "Andernfalls wird die DUH Stadt für Stadt die 'Saubere Luft' gerichtlich durchsetzen."
Das Urteil sei eine "schallende Ohrfeige" für Kanzlerin Angela Merkel und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer. Merkel müsse die Nachrüstung älterer Diesel auf Kosten der Hersteller durchsetzen. "Eine Nachrüstung der Dieselflotte mit wirksamer Hardware könnte verhindern, dass zahlreiche Menschen ihr Fahrzeug nicht mehr in den Innenstädten nutzen können", erklärte Resch.
Resch betonte, dass die DUH nicht per se für Fahrverbote sei. Wenn aber andere Maßnahmen nicht dazu führten, dass die Luftbelastung sinke, seien Einschränkungen für den Verkehr unvermeidbar. Das Aachener Verfahren ist das Erste nach dem Grundsatzurteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit von Dieselfahrverboten.
Die Deutsche Umwelthilfe hatte gegen das Land Nordrhein-Westfalen geklagt, um die Stadt Aachen zur Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte zu zwingen. Nach deren Angaben überschreitet die Stickoxidbelastung nach amtlichen Messungen den Grenzwert von 40 Mikrogramm an zwei Messstellen im Stadtgebiet. Die obersten Verwaltungsrichter in Leipzig hatten Ende Februar exemplarisch an den Fällen Stuttgart und Düsseldorf entschieden, dass Dieselfahrverbote in Städten als letztes Mittel zur Luftreinhaltung möglich sind. Die Einführung müsse aber verhältnismäßig - das heißt vor allem mit zeitlichem Vorlauf - sein. Als erste Großstadt hatte Hamburg unlängst zwei vielbefahrene Straßen im Stadtteil Altona für Diesel-Fahrzeuge gesperrt, die die Abgasnorm Euro 6 für Pkw beziehungsweise VI für Lkw nicht erfüllen.