Bei einem Forum zur Energiewende auf dem Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrats konnte man die Degenerierung unserer politisierten Energiewirtschaft und der gesamten Diskussion um dieses Thema bestaunen.
Das angegebene Thema hieß „Neuausrichtung der Energiewende für einen starken Industriestandort“.
Diskutiert wurde nicht etwa eine Neuausrichtung, sondern ausschließlich das Erreichen neuer, aggressiver, politischer Zielvorgaben beim Ausbau von erneuerbaren Energien (Koalitionsvertrag) bei gleichzeitiger Vermeidung der schlimmsten Konsequenzen für die Unternehmen (Besucher des Wirtschaftstags).
- Ein Vorstand von E.ON hatte die Gesprächsführung. Das ist schon an sich erstaunlich, da E.ON einer der Hauptleidtragenden der Energiewende war. Der Konzern hat sich aufgrund des politischen Drucks komplett neu aufgestellt. Er verkaufte die grundlastfähigen Kraftwerke auf der Basis speicherbarer (fossiler) Energien an Uniper (inzwischen nach Finnland verkauft – sollen die anderen die politischen Risiken der Unterauslastung der Grundlastinfrastruktur tragen), und mutierte zum reinen Renewables-Konzern mit angeschlossenen Netzen. Kritische Fragen zum Warum und Wie waren deshalb natürlich Fehlanzeige.
- Die politische Uniformität, ebenfalls in Vollendung, vertrat ein Vorstand von Siemens, der allen Ernstes das von 200-Meter-Windrädern umzingelte Wunsiedel am Fichtelgebirge – bald ebenso unbewohnbar wie das benachbarte Hof – als ökologisches Modellprojekt pries. Irgendwie müssen die Bayern dem schwarzrotgrünen Zeitgeist etwas opfern, und dann am liebsten in den strukturschwachen Regionen ganz am Rande. Natürlich ist Siemens so oder so der große Profiteur der Politisierung: Der Markt für die grundlastfähigen und sauberen Gaskraftwerke sei zwar in der Depression und werde „auch nicht wieder zurückkommen“, aber dafür liefere man natürlich alles andere an Elektrifizierung, was mit dem Drum und Dran von Energiewende und Dekarbonisierung verbunden sei.
- Zur Phalanx der Gewendeten passte ein zappeliger, junger „Wir-schaffen-das“-Saarland-Ministerpräsident. Offenbar ein bisher unbekannter Nachfahre von Klaus Töpfer und Angela Merkel aus der Quotenwunderzeit.
Folglich kamen die einzigen nennenswerten Diskussionsbeiträge von den Industriekunden und aus dem Ausland:
- Der CEO von Salzgitter, Stahlproduzent, warnte vor weiter steigenden Preisen und weiteren politischen Vorgaben in Richtung Dekarbonisierung. Er betonte, dass der Strompreis kein politischer, sondern ein marktwirtschaftlicher Preis sein sollte.
- Der Vertreter des Verbands der Chemieindustrie war eigentlich der einzige Deutsche auf dem Panel, der Tacheles redete und sagte, man solle CO2-Handel betreiben und nicht bestimmte Energieträger bzw. -erzeugungstechnolgoien subventionieren. Natürlich griff der „ergrünte“ E.ON-Mann, aka Diskussionsleiter, diesen frevelhaften Kommentar, anhand dessen man das ganze politisch-wirtschaftliche Drama der deutschen Energiewirtschaft hätte erklären können, nicht auf.
- Der Vertreter des tschechischen Konzerns EP Energy war der einzige Vertreter einer echten Energiewirtschaft auf dem Panel und sagte in etwa sinngemäß, dass es Tschechien trotz erneuerbarer Energien hier und da überhaupt nicht in den Sinn käme den deutschen Sonderweg mitzugehen und man weiter an fossiler Energie festhalte.
Kein Wunder, erweitert doch nicht nur Tschechien sein bestehendes Atomkraftwerk, sondern baut auch Russland in Königsberg und bald Polen, vielleicht schon direkt an der Oder. Von wo der Wind auch immer weht, ob aus West (Frankreich, Belgien) oder Ost (Tschechien, Ungarn, Slowakei, Polen, Russland) – mit dem Ausstieg der Deutschen wird‘s also nichts, wenn es mal irgendwo knallt. Bekanntlich importiert Deutschland inzwischen in sonnen- und windschwachen Zeiten Strom aus diesen Nachbarländern, worauf der Tscheche auch hinwies, während diese Länder selbst die Spitzen des zappeligen deutschen Stroms abregeln, um ihre Energiewirtschaft vor dem Schicksal E.ONs zu schützen.
Besonders absurd: Jeder Diskussionsteilnehmer betonte die Notwendigkeit von Speichern. Der Siemens-Mann präsentierte sogar eine Folie, auf der (extrem langsam) sinkende Preise für Wasserstoffspeichertechnologien prognostiziert wurden. Trotzdem wurde das Thema komplett in der Diskussion ignoriert, weil es natürlich trotz weiter irrwitzigem Ausbautempos auch nach 20 Jahren immer noch keine Speicherlösung gibt. Und es auch in 20 Jahren voraussichtlich keine geben wird. Mit anderen Worten: Deutschland könnten den gesamten Zappelstrom aus Sonne und Wind morgen abschalten und genauso weiterleben wie zuvor, weil man die Grundlast behalten muss (und einen teuren Kapazitätsmarkt, um ihn zu erhalten). Es ist wie ein Reicher, der sich neben seinem dicken Benziner ein Solarauto leistet, dann noch zwei, vier, später zehn davon kauft und in der Garage vergammeln lässt, aber dadurch sein Gewissen beruhigt.
Nicht vertreten: Die Opfer dieser Politik vor allem im ländlichen Raum, zum Beispiel Hausbesitzer auf dem Land, die enteignet werden. Frau Merkel hatte in der Abendveranstaltung die absolute Chuzpah, eine Träne für diese Leute zu verdrücken – in den Städten würden die Mieten ja immer weiter steigen, während sich Hausbesitzer auf dem Land Sorgen um den Wert ihrer Immobilie machen müssten –, natürlich ohne mit einem Wort ihr Zerstörungswerk des ländlichen Raums über die Total-Industrialisierung mit Windrädern zu erwähnen. Parallel gab es übrigens auf dem Wirtschaftstag ein zweites Forum mit dem Thema „Rettung des ländlichen Raums“, früher einmal uneinnehmbare Wählerbastion der CDU.
Dem Ganzen die Krone aufsetzend, präsentierte der Siemens-Mann im Energiewendeforum eine „Simulation“ eines Deutschlands mit 80 Prozent Produktion aus erneuerbaren Energien. Dieses Szenario wird dann vermutlich ohne norddeutsche Bewohner des Landes stattfinden, die dann alle nach Süddeutschland flüchten – siehe die Windindustrie-Kloaken Südbrandenburg, Vorpommern, Uckermark, Börde, Harzvorland, Emsland, Ostfriesland, Dithmarschen und und und.
„Ein Land wie eine Maschine“, hat ein französischer Philosoph über das Energiewende-Deutschland geurteilt.
Maschinen sind dumm, möchte man diesem Urteil hinzufügen.
Achim Dübel ist unabhängiger Finanzmarkt-Berater und Gründer von Finpolconsult. Er hat unter anderem die Weltbank, die EU-Kommission und mehrere Zentralbanken in der Banken-Krise beraten.