Politik

Österreich fordert von Deutschland Aufklärung über massive Spionage

Der BND soll in Österreich über Jahre 2.000 Privatpersonen, Unternehmen, Behörden und internationale Organisationen ausspioniert und die Informationen an die US-Dienste weitergegeben haben.
17.06.2018 01:42
Lesezeit: 2 min

Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll Medienberichten zufolge jahrelang systematisch hunderte Anschlüsse in Österreich überwacht haben. Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz forderten am Samstag von Deutschland "volle Aufklärung". Derartige Aktionen würden "auf Dauer das Vertrauen zwischen den Staaten infrage stellen", sagte Van der Bellen bei einer Pressekonferenz am Samstag in Wien.

Das österreichische Nachrichtenmagazin "profil" und die Tageszeitung "Der Standard" hatten berichtet, der BND habe zwischen 1999 und 2006 systematisch die Telekommunikation von Ministerien, internationalen Organisationen, islamischen Einrichtungen sowie von Firmen in Österreich überwacht. Laut einer den Medien vorliegenden BND-internen Datei seien insgesamt 2000 Telefon-, Fax- und Handyanschlüsse sowie E-Mail-Adressen ins Visier genommen worden.

Deutschland müsse aufklären, ob und in welchem Ausmaß eine Überwachung stattgefunden habe, betonte der österreichische Präsident auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz. "Ein Ausspionieren unter befreundeten Staaten ist nicht nur unüblich und unerwünscht, es ist auch nicht akzeptabel."

Bundeskanzler Kurz erklärte, Wien habe bereits Kontakt zu den deutschen Behörden aufgenommen. Nach seinen Worten hatte es bereits 2014 "erste Verdachtsmomente" für Überwachungsaktionen des BND in Österreich gegeben. Daraufhin von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Ermittlungen hätten jedoch nicht erfolgreich abgeschlossen werden, "weil Deutschland eine Kooperation damals verweigert hat". Das Ausmaß der gesamten Spionageaktionen bezeichnete Kurz laut APA als "ein gewaltiges".

Van der Bellen und Kurz äußerten sich nach einer Sitzung im Bundeskanzleramt, an der neben dem Kanzler auch Innenminister Herbert Kickl sowie der Chef des österreichischen Verfassungsschutzes sowie Beamte des Innen-, Justiz-, Verteidigungs- und Außenministeriums teilnahmen.

Die abgefangenen Informationen seien mit anderen Geheimdiensten wie der NSA in den USA geteilt worden. Bereits 2015 war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes Behörden in mehreren Ländern ausgespäht haben soll, darunter auch Österreich.

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags geht den Hinweisen laut einem Zeitungsbericht bereits nach. "Wir prüfen, ob die Vorwürfe neu sind oder ob sie Teil der schon 2015 bekannt gewordenen Vorwürfe sind", sagte der PKG-Vorsitzende Armin Schuster (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Sonntag.

Er kündigte erste Erkenntnisse bis Ende der kommenden Woche an. Möglicherweise werde das Gremium in der übernächsten Woche zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Es sei "oft weder verhältnismäßig, noch in der Sache erklärbar" gewesen, dass der BND in der Vergangenheit andere europäische Staaten bespitzelt habe, sagte Schuster.

Schusters Stellvertreter Konstantin von Notz (Grüne) sagte den Zeitungen, für den BND sei es "ein Problem", dass nun die elektronischen Suchmerkmale bekannt geworden seien, mit denen der Geheimdienst österreichische Quellen ausspioniert habe. Die Bundesregierung habe diese sogenannten Selektoren dem Untersuchungsausschuss damals "nicht in einem ordentlichen Verfahren zur Einsicht zukommen lassen", kritisierte er.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...