Politik

Seehofer erhöht den Druck auf Merkel und riskiert seine Entlassung

Lesezeit: 2 min
18.06.2018 01:45
Bundesinnenminister Seehofer will sich seinen Flüchtlings-Plan von der CSU absegnen lassen - und riskiert bei einer weiteren Eskalation seine Entlassung.
Seehofer erhöht den Druck auf Merkel und riskiert seine Entlassung

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Bundesinnenminister Horst Seehofer will sich für seinen Kurs in der Flüchtlingspolitik heute (Montag, 10.00 Uhr) bei einer Vorstandssitzung in München die Unterstützung der CSU holen. Erwartet wird, dass der Parteivorsitzende grünes Licht für die in seinem Masterplan Migration vorgesehene Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen bekommt. Dies soll für jene Migranten gelten, die schon in anderen EU-Ländern registriert sind. Unklar ist, ob Seehofer dies sofort umsetzen wird. Damit würde er sich gegen den Willen von Kanzlerin Angela Merkel stellen, die auf eine europäische Lösung setzt. Sie könnte den Minister dann entlassen, was zum Bruch der Regierung und der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU führen dürfte.

Die Linksfraktion im Bundestag fordert von Kanzlerin Angela Merkel die Entlassung ihres Innenministers Horst Seehofer. Merkel müsse ihn in den vorzeitigen Ruhestand versetzen, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte. "Diese Rambos in Lederhosen müssen gestoppt werden."

Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein hofft auf ein Einlenken von Kanzlerin Angela Merkel. "Mein Eindruck ist, dass sich die CDU-Kollegen zwar personell hinter die Kanzlerin stellen, so wie sie es tun müssen. Inhaltlich sind sie aber in breiter Mehrheit ganz klar bei uns", sagt er der Südwest Presse. Er gehe davon aus, dass die Kanzlerin das akzeptieren werde.

Innenminister Horst Seehofer meldet sich erneut zu Wort. "Die Lage ist ernst, aber bewältigbar", schreibt der CSU-Chef in einem Gastbeitrag für die FAZ. Der EU-Gipfel Ende Juni müsse zu Beschlüssen kommen, "die Deutschlands Lasten in der Migrationspolitik anerkennen und einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen und eine faire Verteilung der Menschen mit Bleiberecht ebenso gewährleisten wie eine schnelle Rückführung der Menschen ohne Bleiberecht."

Auch Merkel will sich für ihre Position Rückendeckung holen: In Berlin trifft sich zunächst das CDU-Präsidium und anschließend der Bundesvorstand. In der CDU-Zentrale in Berlin waren am Sonntagnachmittag führende Politiker der Partei zu einem Treffen zusammengekommen. Es handele sich um ein Vorbereitungstreffen für die Gremiensitzungen am Montag, hieß es in CDU- und Teilnehmerkreisen laut Reuters.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) warnte die CSU, den Fortbestand der Union aufs Spiel zu setzen. Die Zuspitzung des Streits sei "für die Union als Ganzes existenzgefährdend", sagte Hans den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Montag. "Ich kann daher nur an die CSU appellieren, keine vollendeten Tatsachen zu schaffen, sondern Vernunft walten zu lassen und die Tür zu einem gemeinsamen Unionskompromiss nicht vorschnell zuzuwerfen", sagte Hans. Es dürfe nicht zum Bruch zwischen den beiden Parteien kommen, warnte Hans, "nur weil die CSU am Montag eine Entscheidung in der Sache erzwingen will, die wir auch gemeinsam nach dem EU-Gipfel in 14 Tagen treffen können". Im Kern gehe es "gar nicht um die Zurückweisung an der Grenze selbst". Es gehe lediglich darum, "ob diese Maßnahme sofort erfolgt, wie die CSU es will, oder ob es geordnet im Rahmen einer mit den betroffenen Staaten abgestimmten Lösung abläuft, wie wir als CDU mit der Kanzlerin es wollen".

Der Vize-CDU-Vorsitzende, Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl, sagte der SZ: "Die Behauptung, wir lebten in einem rechtsfreien Raum, ist eins zu eins das unsinnige Geschwätz der AfD." Das dürfe man nicht kopieren, sondern müsse man durch kluge und gemeinsame Problemlösungen überflüssig machen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte der Stuttgarter Zeitung: "Wenn Politiker den Populisten nachlaufen, dann wird es am Ende so sein, dass die Menschen die Populisten wählen - und nicht die klassischen Parteien. Diese Gefahr sehen einige nicht." Europa müsse weiter Menschen Schutz gewähren, die vor politischer Verfolgung, Gewalt oder Erniedrigung flüchteten.

Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring geht nach eigenen Worten davon aus, dass Kanzlerin Angela Merkel zwei Wochen Zeit für die Suche nach einer europäischen Lösung bekommt. "Diesem Kompromiss hat die CDU zugestimmt, und ich rechne damit, dass die CSU am Montag das ebenfalls tut", sagt er der Welt.

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