Politik

Merkel und Seehofer um Entschärfung der Krise bemüht

Angela Merkel und Horst Seehofer bemühen sich um eine Entschärfung des Asyl-Konflikts. Mit dem Baukindergeld zeichnet sich allerdings ein grundsätzlicher Streit mit der SPD ab.
27.06.2018 01:05
Lesezeit: 2 min

Die Vorsitzenden von CDU und CSU sind um eine Entschärfung des Konflikts bemüht, der in der Bundesregierung wegen der Asyl-Politik entbrannt ist. Nach einem knapp vierstündigen Spitzentreffen im Kanzleramt gingen die Partei- und Fraktionschefs am frühen Mittwochmorgen auseinander. Über Ergebnisse der Beratungen wurde zunächst nichts bekannt. Auch eine gemeinsame Erklärung, wie sie nach früheren Spitzentreffen veröffentlicht worden war, sollte es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur zunächst nicht geben.

Bei dem Treffen ging es neben dem erbitterten Asylstreit innerhalb der Union auch um das geplante Baukindergeld. Zuvor hatten sich im Asylstreit der Unionsparteien führende Politiker von CDU und CSU demonstrativ um eine Entspannung des heftigen Konflikts bemüht. In der Sache aber blieben beide Seiten hart. Ein Weg zu einer Kompromisslösung war weiter nicht erkennbar.

Bei dem Spitzentreffen in Berlin erschienen für die CDU Kanzlerin Angela Merkel, Unions-Fraktionschef Volker Kauder sowie Kanzleramtschef Helge Braun, für die CSU Innenminister und Parteichef Horst Seehofer sowie Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Für die SPD nahmen Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sowie Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz an der Runde teil.

Seehofer machte am Dienstag deutlich, dass er vom Fortbestand der großen Koalition ausgeht. Wenn Politiker und Medien glaubten, das Bündnis fliege bald auseinander, so sei das «weltfremd», sagte der CSU-Vorsitzende «Focus Online». CSU-Landesgruppenchef Dobrindt betonte: «CDU und CSU sind eine Schicksalsgemeinschaft.» Unionsfraktionschef Kauder sagte: «Dass wir heute so gut dastehen, hat auch mit 70 Jahren erfolgreicher Politik von CDU und CSU zu tun. Und das wollen wir auch in Zukunft so beibehalten.»

Merkel steht unter großem Druck. Hintergrund des Asylstreits ist Seehofers Ankündigung, Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, vom 1. Juli an an der deutschen Grenze abzuweisen. Merkel ist gegen diesen «nationalen Alleingang». Sie möchte auf dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag für eine «europäische Lösung» in der Flüchtlingspolitik werben. Seehofer würde nach eigenen Worten auf die Zurückweisungen an der Grenze verzichten, wenn Merkel auf EU-Ebene eine Vereinbarung erzielen sollte, die den gleichen Effekt hätte wie die von ihm geplante Maßnahme.

Merkel rechnet beim EU-Gipfel in Brüssel noch nicht mit einer umfassenden Vereinbarung zu einem gemeinsamen europäischen Asylpaket. Zwei von sieben EU-Richtlinien, die für eine grundlegende Reform des europäischen Asylsystems geändert werden müssten, seien noch offen, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem neuen spanischen Regierungschef Pedro Sanchez in Berlin. Dazu gehörten die Asylverfahrensrichtlinie und eine Reform der Dublin-Regeln, nach denen die Zuständigkeit für einzelne Asylbewerber in der EU festgelegt wird. «Da wird noch ein wenig Zeit notwendig sein.» Deshalb plädierte Merkel erneut für bilaterale Abkommen einzelner EU-Staaten mit Herkunfts- und Transitländern.

SPD-Chefin Nahles warf der Union eine Blockade der Regierungsarbeit wegen des erbitterten Asylstreits vor. «Der Streit in der CDU/CSU lähmt die gesamte politische Arbeit», sagte sie am Dienstag.

Eindringliche Worte richtete der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel an die beiden Koalitionspartner. «Man fragt sich, sind die völlig wahnsinnig», sagte Gabriel der Deutschen Presse-Agentur. «Ausgerechnet ich als Sozi sage: Ich kann nur hoffen, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt.» Weil sie das deutsche Gewicht in Europa, aber auch das europäische Gewicht für Deutschland spüre.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisierte den Asylstreit in der Union scharf: «Ich habe mich dieser Tage häufiger gefragt, wie sollen wir eigentlich erfolgreich für Vernunft und Augenmaß in der politischen Debatte werben, wenn auf höchster Ebene und selbst im Regierungslager mit Unnachsichtigkeit und maßloser Härte über eigentlich doch lösbare Probleme gestritten wird.»

Beim Baukindergeld macht die Unionsfraktion Front gegen geplante Einschränkungen. Sie lehnte eine Begrenzung der Leistung auf kleinere Immobilien ab. «Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird Flächenbegrenzungen nicht mitmachen», sagte Unionsfraktionschef Kauder am Dienstag. Die SPD-Spitze machte deutlich, dass sie eine mögliche Ausweitung des geplanten Baukindergeldes nicht mitträgt. Für das Baukindergeld sowie Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung und Sonderabschreibungen bei Renovierungen stünden bis 2021 insgesamt zwei Milliarden Euro zur Verfügung, sagte Nahles.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Kupferpreis explodiert: Was Trumps Zollfantasien auslösen
11.07.2025

Eine 50-Prozent-Zollandrohung von Trump lässt den Kupferpreis durch die Decke schießen – und sorgt für ein historisches Börsenchaos....

DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...