Politik

al-Nusra-Söldner ziehen aus Region Aleppo ab

Söldner der Al-Nusra-Front haben die Stadt Dara Izza in der Provinz Aleppo verlassen.
29.09.2018 00:19
Lesezeit: 3 min

Die Kämpfer der Söldner-Truppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), auch Al-Nusra-Front genannt, haben am Mittwoch damit begonnen, den Ort Dara Izza zu verlassen. Darat Izza befindet sich an einer Kreuzung in der ländlichen Provinz Aleppo, die zwischen dem von der Türkei kontrollierten Gebiet im äußersten Nordwesten Syriens und der Provinz Idlib im Süden und Westen verläuft. Ein Hügel in der Nähe bietet einen strategischen Aussichtspunkt auf die umliegende Landschaft. Aus einem lokalen Video soll hervorgehen, wie HTS-Kämpfer die engen Gassen der Stadt mit Motorrädern und gepanzerten Pickups verlassen und dabei Salven in die Luft abfeuern. Ein zweites Video der JABHAT ALNUSRA Violation Documentation Teams soll belegen, dass die HTS-Kämpfer Dara Izza verlassen haben. Der Abzug steht im Zusammenhang mit der Errichtung einer entmilitarisierten Zone, die durch Russland und der Türkei in Sotschi beschlossen wurde.

Der Sprecher der Nationalen Befreiungsfront (NLF), Muhammad Adeeb, sagte Syria Direct, dass Dara Izza "nach der Vertreibung von HTS" nun "vollständig unter der Kontrolle der NLF" sei. Die NLF wird von der Türkei kontrolliert. Die HTS-Kämpfer sollen sich nun in den südlichen Außenbezirken von Darat Izza befinden, wo sie nach Angaben von Anwohnern Straßensperren errichtet haben.

Ein Sprecher von HTS sagte Syria Direct, dass HTS am Donnerstag als Reaktion auf die Spannungen der vergangenen Nacht "ein Treffen" mit der NLF durchgeführt habe. Das Treffen sei "positiv" verlaufen.

Die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF mit Hauptsitz in Amsterdam bestätigt, dass es zuvor Spannungen und Gefechte zwischen HTS und der NLF gegeben hat. Der türkische Geheimdienst soll die örtliche Bevölkerung gegen HTS mobilisiert haben.  Die türkische Zeitung Milliyet bestätigt ebenfalls den Abzug von HTS.

Richard J. Kilroy, Jr., von der National Defense University führt in seinem Buch "Threats to Homeland Security: Reassessing the All-Hazards Perspective", dass im Verlauf des Syrien-Konflikts "syrische Dschihadisten" einen Angriff auf einen syrischen Stützpunkt in der Nähe von Dara Izza ausführten. Bei dem Angriff hätten die Extremisten Bestände an Chlor und Sarin geplündert. Diese Angaben machte ein "syrischer Dschihadist" im Jahr 2016. Er soll nach eigenen Angaben selbst an dem Angriff mitgewirkt haben.

Das US-Magazin Foreign Policy berichtete über den Vorfall. Der Angriff soll in Zusammenarbeit der Terror-Miliz IS und HTS (damals noch Al-Nusra-Front) erfolgt sein. Ungefähr vier Monate vor der Spaltung zwischen der Al-Nusra-Front und dem IS, im Dezember 2012, kletterten Dutzende syrische Dschihad-Kämpfer einen Hügel in Richtung ,Regiment 111' - ein großer Militärstützpunkt in der Nähe der Stadt Darat Izza im Norden Syriens - hoch (...) Syrische Armeesoldaten im Regiment 111 verteidigten ihren Stützpunkt während des ersten Rebellenangriffs Anfang November 2012 erfolgreich und töteten dabei 18 Nusra-Kämpfer. Aber der kalte Dezemberwind verstärkte nur die Entschlossenheit der Rebellen. Der Stützpunkt war eine Goldgrube: Es gab Geschütze, Artillerie, Munition und Fahrzeuge. Und tief in den Bunkern des Regiments 111 lag etwas noch Wertvolleres - ein Vorrat chemischer Waffen. Der Angriff wurde von der Al-Nusra-Front angeführt und hauptsächlich von Kataib Muhajiri al-Scham, einer Einheit im Liwa al-Islam, Majlis Schura al-Mujahideen und Katibat al-Battar, der größtenteils aus libyschen Jihadis bestand, unterstützt (...) Innerhalb eines Tages hatten die vereinigten Dschihadisten die Linien der syrischen Armee durchbrochen. Kurz darauf war das Regiment 111 vollständig unter dschihadistischer Kontrolle (...) Aber nur die Al-Nusra-Front beschlagnahmte die chemischen Waffen. Abu Ahmad (ein beteiligter Augenzeuge, Anm. d. Red.) beobachtete, wie die Al-Qaida-Mitgliedsorganisation zehn große Lastwagen anfahren ließ, sie mit 15 Containern an Chlor und Sarin-Gas belud und sie an ein unbekanntes Ziel fuhr. Er hat nicht gesehen, was mit dem Senfgas passiert ist. Drei Monate später meldeten sowohl die syrische Regierung als auch Rebellengruppen einen Anschlag in Khan al-Assal in der Nähe von Aleppo. Die internationalen Medien berichteten, dass 26 Menschen getötet wurden, darunter 16 Regimesoldaten und zehn Zivilisten. Sowohl das syrische Regime als auch die Opposition behaupteten, dass chemische Waffen verwendet worden seien - und beide beschuldigten den anderen, einen der ersten Chemiewaffenangriffe im syrischen Krieg ausgeführt zu haben." Die syrische Regierung erklärte sich im Jahr 2013 dazu bereit, ihre gesamten Chemiewaffenbestände von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW)zerstören zu lassen und Mitglied der OPCW zu werden, damit künftig keine Vorwürfe gegen sie erhoben werden.

Ein Sprecher der OPCW sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: "Syrien wurde im Oktober 2013 Vertragsstaat der Chemiewaffenkonvention und Mitglied der OPCW. Als Ergebnis einer gemeinsamen OPCW-UN-Mission wurden in Zusammenarbeit mit der syrischen Regierung alle von Syrien erklärten Chemiewaffen entfernt und außerhalb des syrischen Territoriums zerstört (…). Gemäß der Chemiewaffenkonvention und den einschlägigen Beschlüssen des Exekutivrats der OPCW sowie der Resolution 2118 (2013) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sind die Arabische Republik Syrien und alle Gruppen und Parteien in Syrien verpflichtet, chemische Waffen nicht zu entwickeln, herzustellen, zu halten oder zu verwenden".

Es ist unklar, ob HTS nach wie vor über Chemiewaffenbestände, die sie im Jahr 2012 gestohlen hatte, verfügt.

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