Die deutsche Industrie hat im August wegen der starken Nachfrage aus dem Ausland überraschend viele Aufträge an Land gezogen. Das Neugeschäft wuchs um 2,0 Prozent zum Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Freitag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg von 0,5 Prozent gerechnet. Zuvor waren die Aufträge zwei Monate in Folge gesunken. "Der starke Anstieg der Bestellungen aus dem nicht-europäischen Ausland belegt, dass deutsche Industrieprodukte weiter weltweit gefragt sind, ungeachtet der Handelskonflikte", erklärte das Ministerium.
Das Auslandsgeschäft wuchs im August insgesamt um 5,8 Prozent. Die Bestellungen aus der Euro-Zone fielen dabei um 2,2 Prozent, die aus dem Rest der Welt stiegen dagegen um kräftige 11,1 Prozent. Die Inlandsnachfrage schrumpfte um 2,9 Prozent. Der Anteil an Großaufträgen war diesmal unterdurchschnittlich.
Ein Zulassungsstau wegen der Einführung des neuen Abgasfahrzyklus für Pkw (WLTP) dämpfte zuletzt die Industrieaufträge. Er sollte sich aber auflösen, wodurch sich "die positiven konjunkturellen Tendenzen im Verarbeitenden Gewerbe im vierten Quartal wieder durchsetzen", erwartet das Ministerium. "Dafür sprechen auch der weiterhin außerordentlich hohe Auftragsbestand und das überdurchschnittlich positive Niveau des Geschäftsklimas."
Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Anstieg von 0,5 Prozent gerechnet. In ersten Reaktionen hieß es:
STEFAN KIPAR, BAYERNLB:
"Der Anstieg der Neuaufträge im August ist zunächst einmal ein gutes Zeichen. Auf den zweiten Blick sieht die Lage aber noch nicht rosig aus. Denn zum einen folgt der starke Anstieg der Bestellungen aus dem Nicht-Euro-Ausland deutlichen Rückgängen in den Vormonaten und kann diese kaum ausgleichen. Zum anderen fiel die Bestelltätigkeit aus dem Inland schwach aus. Es bleibt daher dabei, dass die zweite Jahreshälfte konjunkturell wohl etwas schwächer ausfallen dürfte als die erste. Allerdings gilt auch weiterhin, dass die Auftragsbestände und die Auslastung der Betriebe hoch sind. Die heutige Erholung der Auftragseingänge bestärkt diesen stabilisierenden Fakt. Die Wirtschaft in Deutschland dürfte daher auch im restlichen Jahresverlauf weiter moderat wachsen."
THOMAS GITZEL, VP BANK:
"Das Plus im August gegenüber dem Juli gibt Hoffnung, dass es in den kommenden Monaten bei den Neubestellungen wieder bergauf geht. Der bislang im Jahresverlauf schwache Auftragseingang ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Das neue Abgastestverfahren in der Automobilindustrie und die noch fehlenden Modellzulassungen spielen eine Rolle. Darüber hinaus gilt: Im zweiten Halbjahr 2017 füllten sich die Auftragsbücher kräftig, weshalb der schwächere Zuwachs im laufenden Jahr in gewissem Masse auch eine Normalisierung darstellt. Inwieweit die Unsicherheiten im Zuge der Handelsstreitigkeiten die Neubestellungen aus dem Inland beeinflussen, kann nur schwer abgeschätzt werden.
Die Chance, dass in den kommenden Monaten Zuwächse verbucht werden, ist groß. Wenn sämtliche Modelle der deutschen Automobilhersteller eine Zulassung nach dem neuen WLTP-Testzyklus haben, könnten Nachholeffekte auf dem Programm stehen. Man muss sich deshalb um die deutsche Wirtschaft keine Sorgen machen, auch wenn im Jahr 2018 ein niedrigeres Wachstum, als ursprünglich erwartet worden war, auf dem Programm steht."
ALEXANDER KRÜGER, BANKHAUS LAMPE:
"Der Zuwachs ist ein starker Lichtblick, zumal er ohne Großaufträge erfolgt ist. Dies zeigt, dass die Industrie lediglich eine Normalisierungsphase durchläuft. Dieser Prozess ist jedoch nicht abgeschlossen. Neben volatilen Monatsergebnissen steht für die nächsten Monate daher wohl auch eine Niveaueinbuße an. Solange die Weltwirtschaft aber läuft, und danach sieht es trotz des Handelsstreits derzeit aus, ist ein beschleunigter Abwärtsstrudel jedenfalls wenig wahrscheinlich."