Die Haushaltskrise in Italien könnte die EZB nach Ansicht der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS zu einer Fortsetzung ihrer Anleihekäufe bringen. "Die Überraschung für die Märkte könnte nächstes Jahr sein, dass die EZB sie nicht auslaufen lässt", sagte Georg Schuh, DWS-Investment-Chef für Europa, den Nahen Osten und Afrika, am Dienstag bei einer Brachenveranstaltung der Nachrichtenagentur Reuters in London. Bisher wird davon ausgegangen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zukäufe von Euro-Staatsanleihen zum Jahresende auslaufen lässt.
Diese in Fachkreisen als "Quantitative Easing" bekannten Maßnahmen sollten Banken dazu bewegen, mehr in Kredite an die Wirtschaft zu investieren. Damit sollte die Konjunktur in der Euro-Zone angekurbelt werden. Dort ist Italien nach Griechenland das am höchsten verschuldete Land mit einer Quote von mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist mehr als doppelt so hoch wie nach EU-Regeln erlaubt. Dennoch will die Regierung in Rom das Wachstum unter anderem mit Steuersenkungen und höheren Sozialausgaben ankurbeln.
Die italienische Regierung lehnt die von der EU geforderte Nachbesserung ihres Haushaltsentwurfs ab. Der Budgetplan bleibe unverändert, kündigte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio am Dienstagabend kurz vor Ablauf einer von der EU gesetzten Frist an. "Wir sind der Überzeugung, dass dies der Haushalt ist, den das Land braucht, um wieder in Gang zu kommen", sagte Di Maio nach einer Kabinettssitzung in Rom.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat an die Euro-Länder appelliert, sich an die Regeln zu halten. Wer darauf setze, Probleme allein durch neue Schulden zu lösen und vorherige Verpflichtungen zu missachten, der stelle den Euro-Raum infrage, sagte Merkel am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg. Der Euro könne nur funktionieren, wenn jedes einzelne Mitglied die Verantwortung für tragfähige Finanzen erfülle.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hält sich auch unmittelbar vor Ablauf der von der EU-Kommission gesetzten Frist für Italien zur Änderung seiner Haushaltspläne mit Kritik an Rom zurück. Er halte es für einen Erfolg, dass es zur Lage in Italien eine "super-aufgeregte Diskussionen" in Europa hätte geben können, es aber bei "leicht aufgeregten" Debatten" geblieben sei, sagte Scholz am Dienstag in Berlin laut Reuters. Er habe den Eindruck, dass man in Italien sehr genau wisse, dass man angesichts von Staatsschulden von gut 130 Prozent der Wirtschaftsleistung keine großen Spielräume habe. Es gehe hierbei allerdings zu allererst um ein italienisches, kein europäisches Thema.
Wäre er italienischer Finanzminister, würde Scholz nach eigenen Worten wohl denken: "Mein größtes Problem sind meine schon vorhandenen Schulden." Diese Wirklichkeit könne niemand wegreden. Für die Verhältnisse in einem Landes trage aber als erstes die jeweilige Regierung Verantwortung. In Europa gebe es zu dem Thema einen "sehr klugen Diskussionsprozess", sagte er mit Blick auf die relativ gemessene Debatte. Das sollte so weitergeführt werden.