Der spektakuläre Kurseinbruch beim Zahlungsabwickler Wirecard wird ein Fall für die Staatsanwaltschaft und die Finanzaufsicht. Wie die Strafverfolger in München und die Bafin in Bonn am Donnerstag mitteilten, gehen Ermittler beider Behörden der Frage nach, ob der Kurs bewusst manipuliert wurde. Nach einem Zeitungsbericht über Betrugsvorwürfe gegen Wirecard war die Aktie am Mittwoch um fast 25 Prozent abgesackt, binnen Minuten wurde ein Börsenwert von mehr als 2,7 Milliarden Euro vernichtet. In der Vergangenheit gab es wiederholt Vorwürfe gegen Wirecard, denen Aktienkurseinbrüche und Ermittlungen wegen Marktmanipulation folgten. Anhaltspunkte für Betrugsvorwürfe gegen das Unternehmen selbst sieht die Münchner Staatsanwaltschaft dagegen nicht.
Die "Financial Times" hatte am Mittwoch berichtet, ein Wirecard-Manager in Singapur sei im vergangenen Jahr verdächtigt worden, gegen örtliche Gesetze verstoßen zu haben. In einer firmeninternen Präsentation sei von Dokumentenfälschung und Geldwäsche die Rede. Der Manager arbeite weiterhin bei Wirecard. In diesen Vorwürfen selbst sehe die Staatsanwaltschaft München keine Anhaltspunkte für Straftaten nach deutschem Recht, sagte die Behördensprecherin. Wirecard habe sich bereits am Mittwoch mit der Bitte um Aufklärung an die Ermittlungsbehörde gewandt und arbeite mit dieser zusammen. Der Dax-Konzern aus Aschheim bei München wies den Bericht als "falsch, ungenau, irreführend und diffamierend" zurück. Er entbehre jeder Substanz.
Von Kursabstürzen nach ähnlichen Veröffentlichungen profitierten in der Vergangenheit Investoren, die erst geliehene Aktien verkauft hatten und diese dann billiger zurückkaufen konnten, um die Papiere schließlich an ihre Inhaber zurückzugeben. Diese so genannten Leerverkäufe sind zwar legal und an der Börse üblich. Wegen der vorherigen Anschuldigungen ermittelten aber die Bafin und die Staatsanwaltschaft wegen Markmanipulation. Vor einigen Jahren wurden deswegen Führungskräfte der Aktionärsvereinigung SdK verurteilt. Gegen den Herausgeber eines Börsenbriefs ist in München ein Strafbefehlsverfahren anhängig.
Die Finanzaufsicht Bafin prüft den Handel mit Wirecard-Aktien auf mögliche Marktmanipulation, wie eine Sprecherin bestätigte. Findet die Bonner Behörde dafür Anhaltspunkte, teilt sie ihre Erkenntnisse mit den Strafverfolgern, die dann über eine Anklage entscheiden müssen. Bei vorsätzlicher Marktmanipulation drohen einem Täter nach dem Wertpapierhandelsgesetz bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Handelt er gewerbsmäßig oder bandenmäßig, sind sogar bis zu zehn Jahre Haft möglich. Zudem drohen Schadenersatzforderungen von Anlegern, die wegen des Kursverfalls Verluste erlitten haben.
Am Donnerstag erholte sich die Wirecard-Aktien etwas von den Kursverlusten am Vortag. Die Papiere legten bis zu 5,2 Prozent auf 152,70 Euro zu und waren größter Dax-Gewinner. Die Analysten von Hauck & Aufhäuser sahen in dem Kursabsturz eine Kaufgelegenheit. Es sei "höchst unwahrscheinlich", dass die Führungsriege von Wirecard die in dem Artikel beschriebenen Praktiken dulden würde. "Wichtig ist auch, dass Wirecard in den vergangenen Jahren wiederholt von Leerverkäufer-Attacken betroffen gewesen ist und im Zuge dieser Vorwürfe Transparenz geschaffen hat, zum Beispiel, indem die Bücher für externe Prüfer geöffnet wurden", erklärten die Analysten.