Deutschland

Kohle-Ausstieg: Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Lausitz ungewiss

Joachim Ragnitz vom ifo-Institut sagt, es sei völlig offen, ob der Verlust von Arbeitsplätzen in der Lausitz aufgrund des Kohleausstiegs ausgeglichen werden kann.
03.02.2019 21:18
Lesezeit: 1 min

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was bedeutet der Kohleausstieg konkret für die Arbeiter in der Lausitz?

Joachim Ragnitz: Wenn der Zeitplan so umgesetzt wird wie von der Kohlekommission vorgeschlagen, werden in der Braunkohleförderung und -verstromung Arbeitsplätze abgebaut. Ein Teil von den derzeitigen Beschäftigten werden zwar anderswo einen neuen Arbeitsplatz finden, aber vermutlich zu geringeren Löhnen als aktuell; sie werden also Einkommensverluste hinzunehmen haben. Auch ist nicht geklärt, dass in der Lausitz selber ausreichend Arbeitsplätze neu geschaffen werden; insoweit kann es auch zu Arbeitslosigkeit bzw. zu Abwanderung kommen. Allerdings ist ein Großteil der Beschäftigten dort ohnehin schon älter als 45 Jahre; insoweit ist die Zahl der unmittelbar Betroffenen nicht allzu groß.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie viele Menschen sind dort in diesem Sektor tätig?

Joachim Ragnitz: Man geht davon aus, dass es derzeit rund 8000 Beschäftigte im Sektor Bergbau und Energie gibt. Hinzu kommen Arbeitsplätze in nachgelagerten Bereichen, also bei Vorleistungsherstellern. Alles in allem dürften rund 20000 Arbeitsplätze direkt und indirekt von der Braunkohle abhängig sein.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie wichtig ist dieser Sektor für die Wirtschaft der Lausitz?

Joachim Ragnitz: Für die Lausitz insgesamt ist der Sektor nicht so relevant (Größenordnung 2% aller Beschäftigten). Anders sieht es im Braunkohlerevier i.e.S. aus (also Stadt Cottbus, LK Spree-Neiße und Nordteil des LK Görlitz), hier ist der Bereich Bergbau und Energie (sowie der nachgelagerten Bereiche) sehr viel größer.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Würde der Wegfall des Braunkohlesektors zu einem Rückgang des aktuellen BIP der neuen Bundesländer führen?

Joachim Ragnitz: Bezogen auf das BIP der NBL (Neue Bundesländer, Anm. d. Red.) insgesamt spielt das keine Rolle; anders sieht es in den Braunkohlerevieren i.e.S. aus. Wenn es gelingt, neue Unternehmen anzusiedeln, auch die Fachkräftesituation zu stabilisieren, ist das aber ohnehin kein Problem, weil das sich ja BIP-erhöhend auswirkt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Können die Arbeitsplätze im Braunkohlesektor der Lausitz durch einen anderen Sektor ersetzt werden?

Joachim Ragnitz: In der Lausitz sind die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Strukturwandel schwierig (wegen Lage, wegen Mangel an Arbeitskräften, wegen ungünstiger Infrastrukturanbindung etc.). Die Vorschläge der Kohlekommission zielen darauf ab, Ersatzarbeitsplätze in anderen Sektoren zu schaffen, zum einen im Bereich energienaher Sektoren, zum anderen aber auch in anderen Bereichen (Tourismus, digitale Wirtschaft, Elektromobilität etc.) Ob das klappt, lässt sich aus heutiger Sicht nicht vorhersagen.

Zur Person:

Prof. Dr. Joachim Ragnitz ist  stellvertretender Geschäftsführer der ifo (Institut für Wirtschaftsforschung) Niederlassung Dresden. Seine Forschungsschwerpunkte sind Ostdeutschlandforschung: Regionale Entwicklung, Sektoraler Strukturwandel, allgemeine Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Amerika: Hat Joe Biden jemals wirklich die USA regiert?
11.03.2025

Wurde die US-Regierung per Autopen (Unterschriftenautomat) gesteuert? Ein Bericht enthüllt, dass fast alle Biden-Dokumente maschinell...

DWN
Politik
Politik BSW klagt in Karlsruhe auf Neuauszählung der Wahl
11.03.2025

Knapp gescheitert, doch nicht bereit aufzugeben: Das Bündnis Sahra Wagenknecht zieht vor das Bundesverfassungsgericht. Die Partei zweifelt...

DWN
Politik
Politik Bargeldreform: Verschwinden bald die Ein- und Zwei-Cent-Münzen?
11.03.2025

Kaum jemand zahlt noch mit Ein- und Zwei-Cent-Münzen – stattdessen verstopfen sie Geldbeutel oder verschwinden in Sparschweinen. Die...

DWN
Technologie
Technologie Der Verbrenner-Golf bleibt mindestens bis 2035: Volkswagen Vertriebschef Martin Sander im Interview
11.03.2025

Volkswagen steht vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits soll die ID-Familie den Markt für Elektroautos erobern, andererseits...

DWN
Politik
Politik Grönland wählt heute Parlament
11.03.2025

Die Menschen auf Grönland wählen ein neues Parlament – doch der Wahlkampf wird von außen beeinflusst. Trump mischt sich ein, die...

DWN
Finanzen
Finanzen Künstliche Intelligenz: KI-Trading revolutioniert den Anlegermarkt – Welche Vorteile, Risiken und Möglichkeiten es gibt
11.03.2025

KI-Trading ermöglicht es Anlegern, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz schneller und präzisere Marktanalysen zu erstellen und...

DWN
Politik
Politik Drohnenangriff auf Moskau fordert drei Todesopfer - Friedensgespräche beginnen
11.03.2025

Ein massiver Drohnenangriff auf Moskau erschüttert Russland: Zwei Tote, beschädigte Gebäude und gesperrte Flughäfen. Während der Kreml...

DWN
Immobilien
Immobilien Neues Büro finden: Was ist zu beachten und wie vermeidet man kostspielige Fehler bei der Suche?
11.03.2025

Die Firma wächst schneller als erwartet und mit ihr das Personal? Oder die Firmenräumlichkeiten werden nicht mehr benötigt? Je nachdem...