Jeden Monat aufs Neue wird in Brüssel eine gigantische Umzugsmaschinerie in Gang gesetzt. Bereits am Freitag, nach Ende der Sitzungswoche, verschicken die Mitarbeiter der Abgeordneten die Akten und Unterlagen ihrer Chefs ins knapp 450 Kilometer entfernte Straßburg. Am Montag dann reisen die Parlamentarier selbst an, meist per Flugzeug. Aufs Taxi angewiesen sind sie während der vier Tage, die sie in der 280.000-Einwohner-Stadt verbringen, nicht - die Fahrbereitschaft des Parlaments ist nämlich mit ihren Limousinen ebenfalls angereist.
Assistenten, Übersetzer, sonstige Parlaments-Mitarbeiter, Lobbyisten und Journalisten miteingerechnet, besteht der Reise-Tross aus mindestens 3.000 Menschen. Die Parlaments-Sitzungen finden in einem Gebäude statt, das ausschließlich für diesen Zweck bestimmt ist, mithin über zehn Monate im Jahr leer steht.
Die Gesamtkosten für die zwölf monatlichen Sitzungen in Straßburg belaufen sich auf 113,8 Millionen Euro. Das hat der Europäische Rechnungshof bereits im Jahr 2014 ermittelt. Die Berechnung fand damals jedoch kaum Beachtung. Auf sie hingewiesen hat jetzt das Fakten-Check Portal „EUfactcheck.eu“.
Dass die Parlamentarier nicht nur an ihrem Stammsitz in Brüssel, sondern auch im Elsass tagen, geht auf ein Abkommen aus dem Jahr 1992 zurück. Durch den Umzug nach Straßburg wurde sichergestellt, dass der zweitgrößten Nettozahler der EU (im Jahr 2017 überwies Frankreich 8,2 Milliarden Euro mehr nach Brüssel, als es von dort bekam. Größter Nettozahler mit knapp 13 Milliarden Euro ist Deutschland) eine wichtige EU-Institution beherbergt.
Im Laufe der seitdem vergangenen 27 Jahre gab es mehrere Versuche, den „Wanderzirkus“ zu beenden. Der letzte aus dem Jahr 2017 schien zunächst erfolgversprechend - die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA), die wegen des Brexits London verlassen musste, sollte als Ersatz für die monatlichen Sitzungen in Straßburg angesiedelt werden. Das machte die Macron-Regierung jedoch nicht mit - die EMA hat ihren Sitz seit Anfang dieses Monats in Amsterdam.