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Bericht deckt Besäufnisse und sexuelle Belästigungen an Börse Lloyds of London auf

An der Londoner Versicherungsbörse Lloyd's of London herrscht offenbar eine Kultur der sexuellen Belästigung. CEO John Neal gelobt Besserung.
28.03.2019 17:15
Lesezeit: 3 min

Laut ihrem CEO John Neal wird die globale Versicherungsbörse Lloyd's of London in Zukunft jeden öffentlich benennen, dem sie wegen sexueller Belästigung den Zugang zu ihrem Markt sperrt.

"Wenn wir Fälle von schlechtem Benehmen sehen - und wir hoffen, dass sie selten vorkommen, dann müssen wir öffentlich und entschlossen handeln", sagte Neal am Mittwoch. "Den Leuten muss wirklich klar sein, dass man sich nicht so benehmen kann", zitiert ihn Bloomberg.

Der CEO reagiert auf einen Artikel von Bloomberg Businessweek, der letzte Woche veröffentlicht wurde und eine tief verankerte Kultur sexuellen Fehlverhaltens auf dem Londoner Versicherungsmarkt feststellte.

Der Bericht stützte sich auf die Erfahrungen von 18 Frauen und beschrieb eine Atmosphäre fast anhaltender Belästigung. Es geht dabei um unanständige Kommentare, um unerwünschte Berührungen und sogar um sexuelle Übergriffe.

Eine der Frauen beschreibt, wie ein leitender Manager in betrunkenem Zustand sie in einer Kneipe gleich um die Ecke von Lloyd's angriff. Ihr Arbeitgeber überzeugte sie davon, dass es schlecht für ihre Karriere wäre, wenn sie sich offiziell darüber beschwert.

Andere Frauen, die im Umfeld von Lloyd's of London ähnlichen Missbrauch erlebt und förmliche Beschwerden eingereicht hatten, gaben an, dass ihre Karrieren darunter gelitten hätten.

Viele der Frauen sagten, dass die gerichtliche Verfolgung ihrer Missbrauchsfälle vor den Gerichten der Vereinigten Königreichs wegen der hohen Kosten und der möglichen Rufschädigung nicht machbar sei.

Alle Frauen sprachen mit Bloomberg Businessweek nur unter der Bedingung, dass ihre Identität geschützt wird. Das Blatt hat jedoch ihre Beschäftigungsnachweise überprüft und, soweit möglich, Kollegen oder Freunden befragt.

Die Frauen arbeiteten für einige der weltweit größten Versicherer und Versicherungsmakler, darunter Aspen Insurance Holdings, Arthur J. Gallagher & Co., Marsh & McLennan, Munich Re und andere.

Die große Mehrheit der Menschen, die bei Lloyd's of London arbeiten, sind keine Angestellten der Börse, die weltweit rund 1.000 Mitarbeiter beschäftigt. Doch die Normen des Versicherungsmarktes werden zum Teil dort geprägt.

Als Inga Beale im Jahr 2014 der erste weibliche CEO von Lloyd's wurde, habe sie versucht, die Einstellungen und Verhaltensweisen dort zu ändern, schreibt Newsweek. Sie sei jedoch bei jedem Schritt auf Widerstand gestoßen. Im letzten Herbst wurde sie durch Neal ersetzt.

In den achtziger Jahren arbeitete Inga Beale als Praktikantin bei dem Londoner Unternehmen Prudential, wo sie die einzige Frau in einem 35-köpfigen Team war. Eines Tages beschwerte sie sich unter vier Augen bei ihrem Chef über Poster von Frauen in nassen T-Shirts und Bikinis.

"Am nächsten Tag bin ich hereingekommen, bin um die Ecke gegangen und habe meinen Schreibtisch gesehen - und mein Schreibtisch war in die Plakate eingepackt", sagte sie 2016 in einem BBC-Interview. Sie verließ das Gebäude, und drei Tage später kündigte sie. Das war 1989.

In den 30 Jahren seit diesem Morgen haben sich einige Dinge geändert. Auf dem Londoner Markt sind jetzt weit mehr Frauen tätig, und heutzutage dürfen sie tragen, was sie wollen. Doch die Mentalität sitze tief.

"Grundsätzlich gilt es, Verhaltensweisen [und] Club-Gruppen zu knacken, die sich über Jahrhunderte hinweg gegenseitig zu unterstützen gewusst haben, zu einer Art Crack, das unglaublich hart ist", sagte Beale im September zu Bloomberg Businessweek. Es war eines ihrer letzten Interviews, bevor sie zurücktrat.

Zu Beginn ihrer fünf Jahre bei Lloyd's startet Beale mehrere Diversity-Initiativen und forderte die CEOs der weltweit größten Versicherungsunternehmen dazu auf, sich für mehr Vielfalt und Inklusion in ihren Unternehmen einzusetzen.

Schon nach kurzer Zeit stand sie deshalb in der Kritik, weil sie zu viel Zeit mit Vielfalt verbringe. Einige männliche Führungskräfte, die an der Börse Geschäfte machten, kritisierten, dass Beale herablassend und aggressiv auftrete.

Die Börse besteht aus Mitgliedern - dies sind große Versicherungsgesellschaften, aber auch vermögenden Privatpersonen - und einigen Private-Equity-Gruppen. Sie versichern alles von globalen Öllieferungen bis zur Mona Lisa und David Beckhams Füßen.

Frauen mit internationaler Erfahrung in der Versicherungsbranche und in anderen Finanzbereichen sagen, dass die allgegenwärtige Belästigung bei Lloyd's und im weiteren Londoner Markt einzigartig ist. Und alle sagen, es fange mit Alkohol an.

Den ganzen Tag über würden die Underwriter vom Handelssaal in die Kneipe ziehen, dann in ihre eigenen Büros und wieder zurück in die Kneipe. Der Londoner Versicherungsmarkt sei der letzte Platz in der globalen Finanzwirtschaft, an dem Alkohol nicht nur toleriert, sondern erwartet wird.

CEO Neal sagte, es falle nicht in den Zuständigkeitsbereich von Lloyd's, Alkohol außerhalb seiner Gebäude zu verbieten. Er fügte jedoch hinzu, dass er Alkohol auf seinem Gelände nicht länger toleriert und jeden Betrunkenen rauswerfen lässt.

"Wir müssen sicherstellen, dass sich jeder, egal ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt, zu jeder Tageszeit sicher fühlen sollte, wenn er etwas tut, was mit dem Lloyd's-Markt zusammenhängt", so Neal.

Am Dienstag hat Lloyd’s aus London einen Plan vorgelegt, der künftigen Belästigungen vorbeugen soll.  Eine unabhängige Whistleblower-Hotline wird eingerichtet, und für alle Personen, die sich der sexuellen Belästigung schuldig machen, sollen potenziell lebenslange Sperren ausgesprochen werden.

Diese Vorschläge waren auf einer von Neal am Montagabend einberufenen Dringlichkeitssitzung von Führungskräften der Branche vereinbart worden. Lloyd’s verpflichtete sich auch, eine unabhängige Umfrage zum Ausmaß des Problems durchführen zu lassen.

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