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Stuttgart: Für Diesel-Klagen zuständiger Richter überraschend abgesetzt

Für die einen ist er der Mann, der im VW-Dieselskandal endlich mal durchgreift. Für die anderen überschreitet er schlicht seine Kompetenzen. Nun muss der Stuttgarter «Dieselgate»-Richter seinen Platz räumen. Der Grund ist eine Klage seiner Frau.
30.04.2019 17:19
Lesezeit: 2 min

Der für einen Großteil der «Dieselgate»-Klagen am Landgericht Stuttgart zuständige Richter wird abgelöst, berichtet die dpa. Das Gericht hat ihn in 195 Verfahren für befangen erklärt, wie eine Sprecherin am Dienstag sagte. Sämtliche Anlegerklagen gegen die VW-Holding Porsche SE und Volkswagen selbst, die er bislang bearbeitet hat, werden nun von anderen Richtern übernommen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die beiden Konzerne hatten die Ablösung des Richters beantragt, weil sie ihn für nicht neutral hielten und sich in den Verfahren in ihren Rechten verletzt sahen. Ausschlaggebend war nach Darstellung des Gerichts, dass die Ehefrau des Richters ein vom Dieselskandal bei VW betroffenes Auto besitzt und den Konzern vor einem anderen Landgericht verklagt hat.

Dabei komme es nicht darauf an, ob der Richter objektiv befangen sei. Es reiche schon aus, wenn ein solcher Schluss aus Sicht einer beteiligten Partei naheliege. Und in diesem Fall liege es aus Sicht von VW und der Porsche SE durchaus nicht fern, dass der Richter ein eigenes Interesse am Ausgang der Verfahren habe, argumentiert das Gericht. Der Richter hatte die Klage seiner Frau gegen VW in einer Stellungnahme selbst offengelegt.

Ein Sprecher der Porsche SE sagte, man begrüße die Entscheidung und sehe sich in seiner Auffassung bestätigt. Das Landgericht verhandelt eine ganze Reihe von Klagen von Anlegern, die der Porsche SE und VW vorwerfen, die Kapitalmärkte zu spät über die finanziellen Folgen des Dieselskandals informiert zu haben.

Der nun abgelöste Richter, der für den größten Teil dieser Klagen zuständig war, hatte in den vergangenen Monaten immer wieder bundesweit für Aufsehen gesorgt. Er lud eine ganze Reihe großer Namen aus der Autobranche als Zeugen vor, darunter Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, den damaligen Audi-Vorstandschef Rupert Stadler, den Chef des Zulieferers Bosch, Volkmar Denner, oder Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Er verurteilte Bosch zur Herausgabe von Unterlagen zum Dieselskandal und die Porsche SE in zwei Fällen zu Schadenersatz in Millionenhöhe.

Die Zeugenaussagen kamen letztlich aber nicht zustande, das Urteil gegen Bosch hob das Oberlandesgericht (OLG) wieder auf, die beiden Schadenersatzurteile werden dort noch geprüft. Einen sogenannten Vorlagebeschluss des Richters, mit dem ein zweites Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) eingeleitet werden sollte, lehnte das OLG ebenfalls ab. Es war der Ansicht, dass die am Landgericht Stuttgart verhandelten Fälle zunächst einmal dem Musterverfahren gegen VW in Braunschweig zugeordnet werden sollten.

Auf Seiten der Kläger hatte es durchaus Lob für die akribische Arbeit des Richters und dessen zum Teil deutliche Worte an die Adresse von VW gegeben. Die Gegenseite dagegen beklagte, der Richter überschreite seine Kompetenzen, um sich selbst zu profilieren. Mit einem ersten Befangenheitsantrag war VW allerdings gescheitert - auch in zweiter Instanz vor dem OLG. Die Porsche SE hatte zudem erfolglos versucht, die Verfahren, die der Richter allesamt allein behandelte, vor eine komplette Zivilkammer zu bringen.

Das wird sich nun auf jeden Fall ändern. Der neue Einzelrichter habe sämtliche übernommenen Fälle der Kammer vorgelegt, hieß es. Künftig werden sich daher nun immer jeweils drei Richter damit befassen.

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