Für die europäische Luftfahrt kommen offenbar im Zusammenhang mit den Klimaschutzzielen der EU neue finanzielle Belastungen hinzu. Frankreich, Belgien, die Niederlande und Luxemburg bereiten sich nach einem Bericht des Handelsblatts darauf vor, sich nach dem Amtsantritt der neuen EU-Kommission im November 2019 für eine Belastung des Flugverkehrs über den Emissionshandel (ETS), oder aber über eine Ticket- oder Kerosinsteuer einzusetzen.
Dabei erhalten sie auch Unterstützung von deutschen EU-Politikern. “Wir haben die umweltfreundlichen Verkehrsträger Bus und Bahn sehr stark belastet, während der Flugverkehr von vielen Steuern und Abgaben befreit ist”, zitiert das Handelsblatt den umweltpolitischen Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Peter Liese. Das müsse sich Liese zufolge ändern.
Condor-Chef Ralf Teckentrup hält den geplanten Vorstoß für unangebracht. Es mache keinen Sinn, wenn eine derartige Regelung ausschließlich für den EU-Raum getroffen werde. “Insellösungen, auch auf europäischer Ebene wie das ETS, bringen in einer globalen Industrie gar nichts”, so Teckentrup. Er befürchtet, dass europäische Fluggesellschaften Wettbewerbsnachteile erleiden werden. Dies habe man bereits in Bezug auf die Luftverkehrsabgabe gesehen, die in Deutschland im Jahr 2011 eingeführt wurde. Teckentrup wörtlich: “Faktisch hat sie nur dazu geführt, dass ausländische Airlines schneller gewachsen sind und wir in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil erfahren haben.”
Eine weitere hochrangige Person aus der Luftverkehrsbranche sagte dem Handelsblatt unter der Bedingung der Anonymität: “Wenn jetzt auch noch Ticketsteuer, Kerosinsteuer und eine Ausweitung des Emissionsrechtehandels kommen, sieht es düster aus mit den Gewinnen.”
Europäische Luftfahrt befürchtet Einführung einer Kerosinsteuer
Besonders brisant ist die Diskussion um die Einführung einer Kerosinsteuer. Nationale Alleingänge bei einer Kerosinsteuer hätten den Nachteil, dass sie heimische Gesellschaften und Flughäfen einseitig belasten würden, argumentiert der deutsche Branchenverband BDL. Umsteiger könnten wegen der geringeren Ticketpreise Drehkreuze im kerosinsteuerfreien Ausland wählen, und auch in Deutschland startende Passagiere würden bei Kostenvorteilen ausweichen.
Das ist im geringen Umfang bereits nach Einführung der Luftverkehrssteuer geschehen, die jährlich mehr als eine Milliarde Euro in die Bundeskasse bringt. Die Steuer fällt für alle Flüge an, die von deutschen Flughäfen starten. Die Höhe richtet sich nach der Entfernung des Reiselandes und beträgt pro Passagier zwischen 7,46 Euro und 41,97 Euro.
Die derzeit noch amtierende EU-Kommission hat die Auswirkungen einer europaweiten Kerosinsteuer untersuchen lassen, eine politische Mehrheit gibt es dafür aber nicht. Laut dem vom Verband Transport & Environment geleakten Bericht könnte der CO2-Ausstoß durch die rund zehn Prozent teureren Tickets um elf Prozent gedrückt werden. Europas Luftverkehr nimmt zudem bei Kontinentalflügen bereits am Emissionshandel für Industrie und Energiewirtschaft teil.
Ob beispielsweise Bio-Kerosin eine Alternative für die Fluggesellschaften ist, bleibt unklar. Seit 2008 wird Bio-Kerosin im zivilen Luftverkehr getestet, seit 2016 setzt es die US-Gesellschaft United im Regelverkehr ein. Auch die Lufthansa hat den Bio-Treibstoff ausführlich getestet, verweist aber auf geringe Verfügbarkeit und sehr hohe Preise.
Das schnelle Wachstum einiger europäischer Gesellschaften könnte sich durch die Einführung einer Kerosinsteuer als nachteilhaft erweisen. Ryanair profitiert beispielsweise vom schnellen Wachstum in den vergangenen Jahren auf nunmehr rund 475 Flugzeuge. Dass die Iren weitere 210 Jets bestellt haben und die Passagierzahl von zuletzt 153 Millionen auf mehr als 200 Millionen im Jahr 2024 steigern wollen, zeigt aber auch die Wachstumsproblematik. Alle diese Flieger müssen erst einmal gefüllt werden: Ryanair verspricht als Anreiz weiterhin fallende Preise, was viele für den eigentlichen Grund des Dauerwachstums zumindest in Europa halten. Doch eine Kerosinsteuer könnte dieses Versprechen zunichte machen und Ryanair vielleicht sogar in einer tiefe Krise stürzen lassen.