Politik

Reuters: „Es hagelt eine Gewinnwarnung nach der anderen“

Lesezeit: 3 min
23.07.2019 15:53
Die Rezessionstendenzen in der deutschen Wirtschaft sind im medialen Mainstream angekommen. Reuters zufolge hagelt es derzeit Gewinnwarnungen.
Reuters: „Es hagelt eine Gewinnwarnung nach der anderen“
Die größten Einbrüche befürchten Betriebe der Metallindustrie und des Maschinenbaus (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In der deutschen Wirtschaft hagelt es eine Gewinnwarnung nach der anderen, berichtet Reuters. Immer mehr Unternehmen blicken unsicher in die Zukunft und kappen ihre Jahresziele. Auch am Arbeitsmarkt gibt es erste Bremsspuren. "Der Brexit, Handelskonflikte und Sanktionen beeinträchtigen zunehmend die Geschäfte der Unternehmen im Ausland", sagt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer. "Vor allem die exportstarke Industrie erwartet dieses Jahr weniger Ausfuhren."

Die größten Einbrüche befürchten demnach Betriebe der Metallindustrie und des Maschinenbaus. Zuletzt sei auch die Autobranche skeptischer geworden. "Die jüngsten Unternehmenszahlen zeigen: Der Höhepunkt des globalen Wachstums ist vorbei", betont auch Axel Cron, Chef-Anlagestratege bei HSBC Global Asset Management.

Daimler kappte Mitte Juli zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Wochen seine Gewinnprognose für 2019. Zwar machte der neue Vorstandschef Ola Källenius vor allem teure Rückrufe von Diesel-Autos dafür verantwortlich. Er räumte jedoch auch ein, dass sich der Automarkt so schnell nicht erholen dürfte. Im Mai hatte bereits der Münchener Rivale BMW seine Erwartungen nach unten korrigieren müssen; Volkswagen ist für die Umsatzrendite im Pkw-Geschäft ebenfalls skeptisch. Der weltgrößte Autobauer legt seine Quartalsbilanz an diesem Donnerstag vor. Und auch der Zulieferer Continental nahm seine Ergebnisziele zurück. All das sind Beweise für die tiefe Krise, in der sich die deutschen Autobauer inzwischen befinden.

Die erfolgsverwöhnten Maschinenbauer bekommen den konjunkturellen Gegenwind ebenfalls immer stärker zu spüren. Für dieses Jahr rechnet Deutschlands zweitgrößter Industriezweig nach der Autobranche erstmals seit 2013 mit einem Rückgang der Produktion um etwa zwei Prozent. Von Januar bis Mai fielen die Aufträge binnen Jahresfrist um neun Prozent.

Der Konjunkturabschwung frisst sich inzwischen auch in die Bilanzen von Firmen aus anderen Branchen: Prominentestes Beispiel ist wohl der Chemieriese BASF, der zwar viele Kunden im Autobereich hat, aber auch Unternehmen aus anderen Bereichen beliefert. Die Ludwigshafener räumten jüngst ein, ihre Umsatz- und Gewinnziele nicht halten zu können. Der lange Zollstreit zwischen USA und China hatte den Konzern auf dem falschen Fuß erwischt, wie Firmenchef Martin Brudermüller erläuterte. Die Autoindustrie in China leidet besonders unter dem Konflikt mit Washington. Der Fahrzeugabsatz fiel im Mai um mehr als 16 Prozent, so stark wie noch nie in einem Monat.

So wird die Liste der Pessimisten immer länger: Zuletzt dampften auch der Stahlhändler Klöckner & Co, der Chemiekalienhändler Brenntag, der Anlagenbauer Dürr und der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich ihre Geschäftsprognosen ein. "Die börsennotierten deutschen Unternehmen missbrauchen die Handelskonflikte nicht als Ausrede für schlechte Geschäfte", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Vielmehr begründen sie Gewinnwarnungen meist konkret mit fallenden Umsätzen oder Aufträgen – vor allem aus Asien." Dass die Wirtschaft in China leide und die Firmen von dort weniger deutsche Produkte nachfragten, liege eben auch an der Unsicherheit über den Handelsstreit mit den USA.

DIHK-Chef Schweitzer spürt hier wenig Optimismus. "Ein Ende des weltweiten Protektionismus und der Handelskonflikte ist leider derzeit nicht in Sicht", sagt er. Die Unsicherheit rund um die internationalen Märkte bleibe für die Firmen daher hoch. Ähnlich sieht das Außenwirtschaftschef Gregor Wolf vom Exportverband BGA: "Diese globale Gemengelage liegt bleiern über allem", erklärt er. "Da kann man nicht wirklich investieren." Immer mehr Firmen versuchten, sich bei den Wertschöpfungsketten aus der Abhängigkeit von den USA und von China zu lösen. "Das wird aber Jahre dauern." Verheerend sei vor allem, dass die Welthandelsorganisation WTO als Schützerin des Handels bereits geschwächt und künftig kaum mehr handlungsfähig sei. "Da kann man nicht laut genug aufschreien", warnt Wolf.

Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA) erwartet jetzt nur noch ein Exportplus deutscher Waren von 1,5 Prozent für 2019. Anfang des Jahres hatte man noch auf doppelt so viel Wachstum gehofft.

Am deutschen Jobmarkt neigt sich der jahrelange Boom bereits dem Ende zu. Die Bundesagentur für Arbeit erklärte jüngst, die Abkühlung der Konjunktur "ist sichtbar". Zudem stellen sich immer mehr Industriebetriebe verstärkt auf Kurzarbeit ein. BGA-Fachmann Wolf rechnet zum Jahresende mit einem Dämpfer auch bei den Dienstleistern, wo es bisher noch besser läuft. Derzeit sorgen Jobabbaupläne bei Großkonzernen wie der Deutschen Bank, Thyssenkrupp, BASF und Siemens für Schlagzeilen. Insgesamt erwarten Fachleute aber keinen Kahlschlag. Denn wegen des Fachkräftemangels dürften die Firmen mit Entlassungen vorsichtiger sein als in früheren Flauten, sagte Wolf: "Keiner kann sich leisten seine Facharbeiter abzugeben."

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Palantir: Wie Vorurteile die sinnvolle Anwendung von Polizei-Software behindern
23.04.2024

Palantir Technologies ist ein Software-Anbieter aus den USA, der entweder Gruseln und Unbehagen auslöst oder Begeisterung unter seinen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 20 Jahre EU-Osterweiterung: Wie osteuropäische Arbeitskräfte Deutschland unterstützen
23.04.2024

Zwei Jahrzehnte nach der EU-Osterweiterung haben osteuropäische Arbeitskräfte wesentlich dazu beigetragen, Engpässe im deutschen...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: Spannung und Entspannung – Geopolitik sorgt für Bewegung bei Aktien und Rohstoffen
23.04.2024

Die hochexplosive Lage im Nahen Osten sorgte für reichlich Volatilität an den internationalen Finanz- und Rohstoffmärkten. Nun scheint...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...