Finanzen

Start der Elbvertiefung: Bürgerinitiative befürchtet Kostenexplosion

Lesezeit: 3 min
25.07.2019 16:53
Bauprojekte in der Hansestadt haben ihre eigene Charakteristik: Sie werden scheinbar immer teurer als ursprünglich geplant – das scheint sich auch bei der gerade begonnenen Elbvertiefung anzudeuten.
Start der Elbvertiefung: Bürgerinitiative befürchtet Kostenexplosion
Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister, fotografiert beim Auftakt des Fahrrinnenausbaus für die Elbvertiefung den Hopperbagger "Scheldt River" mit seinem Smartphone. (Foto: dpa)

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Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat Anfang der Woche den Startschuss für die neunte Vertiefung der Elbe abgegeben. Das Projekt, das nach jahrelanger Verzögerung und unter dem Protest von Umweltschützern an den Start gegangen ist, könnte sich als ebenso großes „Fass ohne Boden“ erweisen wie der Bau der inzwischen zum Wahrzeichen der Stadt avancierten Elbphilharmonie – kurz „Elphi“.

Es mutet an, wie ein echter Anachronismus. So richtig verständlich ist die ganze Sache für einen Bewohner des Binnenlandes nämlich nicht. Denn welchen Sinn steckt dahinter, immer größer werdende Hochsee-Containerschiffe rund 100 Kilometer von der Küste entfernt be- und entladen zu wollen bzw. zu müssen? Viele Menschen aus Hamburg und natürlich auch die meisten hansestädtischen Politiker sowie Bundesverkehrsminister Scheuer sehen das anders. Ob es jedoch dadurch sinnvoller wird ... ?

Beim Baubeginn an dem „historischen Tag“ betonte Scheuer die Verantwortung für die Wirtschaft. Die Konkurrenz in der Schifffahrt ist groß: Die Umschlagleistung des Hamburger Hafens stagnierte in den vergangenen Jahren bei rund neun Mio. Standardcontainern. Die Hansestadt rangiert unter den weltgrößten Häfen nur noch auf Platz 19. Die aktuelle Elbvertiefung soll das ändern.

Das Vorhaben soll Schiffen die Durchfahrt zum Hamburger Hafen bei Ebbe mit einem Tiefgang bis zu 13,50 Metern und bei Flut mit einem Tiefgang bis zu 14,50 Metern erlauben. Aber weil die Planungen für die aktuelle Elbvertiefung bereits vor rund 20 Jahren begannen, könnte das schon heute nicht mehr reichen. Denn innerhalb dieses Zeitraums sind die großen Frachtschiffe um durchschnittlich 50 Meter in der Länge und 14 Meter in der Breite gewachsen. Inzwischen weisen sie bereits einen Tiefgang von mehr als 16 Metern auf. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die neunte Elbvertiefung nicht letzte gewesen sein könnte.

Dessen ungeachtet erklärt Michael Westhagemann, der Hamburger Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, optimistisch: „Die Fahrrinnenanpassung der Elbe ist ein enorm wichtiges Vorhaben – nicht nur für Hamburg, sondern für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland. Und natürlich eine große Botschaft für die internationalen Kunden des Hamburger Hafens. Der Hamburger Hafen ist und bleibt ein bedeutender Welthafen. Er fungiert als eine Drehscheibe im internationalen Warenverkehr für Deutschland und Europa. Die Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe wird die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens absichern.“

Und auch die in Hamburg oppositionelle FDP sieht in Person ihres Fraktionsvorsitzenden Michael Kruse höchstens Nachbesserungsbedarf von Seiten der Bundesregierung: „Es ist gut, dass die Arbeiten zur Begegnungsbox nun endlich beginnen. Der Hamburger Hafen braucht die Beseitigung dieses Nadelöhrs dringender denn je. Wichtiger als Kaffeekränzchen des zuständigen Bundesministers auf der Elbe wären konkrete weitere Maßnahmen für die Stärkung des Hafens. Mit der Vertiefung und Verbreiterung des Flusses werden auch die zu baggernden Schlickmengen ansteigen. Andreas Scheuer muss den Weg frei machen für eine ganzheitliche Baggerstrategie von Hamburg und dem Bund. Insbesondere muss die Blockadehaltung des Bundes aufhören, wonach Hamburg Schlick innerhalb des Flusses nur auf dem eigenen Gebiet verbringen darf. Dadurch entsteht ein jährlicher Schaden in zweistelliger Millionenhöhe bei Land und Bund. Dieses Bagger-Desaster muss dringend beendet werden.“

Über die horrenden Kosten der aktuellen Elbvertiefung wurde bei offiziellen Feierlichkeiten wenig gesprochen. Immerhin beziffert die zuständige Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Hansestadt den finanziellen Aufwand mit 776 Mio. Euro, wobei der Bund mit etwa 490 Mio. Euro dabei sein wird, Hamburg mit 286 Mio. Euro. Kenner der Szene sehen das anders.

Es ist wahrscheinlich nicht zu erwarten, das es bei den Bagger-Arbeiten zu einer ähnlich exorbitanten Kostenexplosion kommt wie bei Elphi. Beim Bau des Kulturgebäudes betrugen die Gesamtkosten am Ende durch Verzögerungen und die Überschreitung der ursprünglich veranschlagten Kosten mit rund 866 Mio. Euro etwas mehr als das 11fache der mit ursprünglich 77 Mio. Euro geplanten Summe. Ganz so schlimm sollte es diesmal nicht werden.

Dennoch gibt es bereits Kostenschätzungen im Hinblick auf die Elbvertiefung, die weit über das hinausgehen, was von offiziellen Stellen verlautbart wird. So schätzt die Bürgerinitiative „Hamburg für die Elbe“ den Aufwand für das Projekt auf mehr als 1,6 Mrd. Euro ([www.hamburg-fuer-die-elbe.de]), allein der Anteil der Hansestadt soll sich dabei auf fast 790 Mio. Euro belaufen. Entgegen der Behörde fließen bei der Berechnung der Bürgerinitiative zusätzlich Ausgleichszahlungen und Folgekosten ein. Hamburg scheint ein gutes Pflaster für das ein oder andere „Fass ohne Boden“ zu sein.


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