Politik

Neuer Flüchtlings-Korridor: Griechenland registriert deutliche Zunahme an Ankünften

In Lesbos kommen täglich 500 neue Flüchtlinge und Migranten über die Türkei an. Schlepper haben einen neuen Korridor von der Türkei in die EU geschaffen. Ankara ist überfordert und Athen schlägt Alarm. Doch die EU ist verstummt.
30.08.2019 11:59
Lesezeit: 2 min
Neuer Flüchtlings-Korridor: Griechenland registriert deutliche Zunahme an Ankünften
Schlepper haben einen neuen Flüchtlings-Korridor geschaffen. Der Flüchtlings-Deal mit der Türkei ist de facto geplatzt. (Grafik: DWN/Google Maps)

Berichten zufolge sind an einem Tag über 500 Menschen aus der Türkei auf der griechischen Insel Lesbos angekommen. Die gemeldeten Ankünfte auf der Insel erfolgten am 29. August 2019. Laut jüngsten Angaben der UN-Flüchtlingsagentur (UNHCR) liegt die durchschnittliche tägliche Ankunftsrate auf allen vier Ägäischen Inseln der Region bei 250 pro Tag. Allein in der vergangenen Woche seien über 1.000 Migranten in Lesbos gelandet. Diese deutliche Zunahme der Ankünfte bestätigt einen Bericht der Deutschen Wirtschaftsnachrichten vom 27. Juli 2019, wonach die Türkei das Flüchtlingsabkommen mit der EU de facto aufgekündigt haben soll. 

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten waren das erste Medium in Europa, das über das Platzen des Flüchtlings-Deals berichtet hatte. Ankara will mit dem Vorstoß seinen Protest gegen die EU-Sanktionen, die aufgrund des Zypern-Konflikts gegen die Türkei eingeführt wurden, und gegen die EU-Flüchtlingspolitik kundtun. Die Türkei sieht es nicht mehr ein, warum sie den weltweiten Flüchtlingsstrom im eigenen Land eindämmen soll, zumal das Land bereits jetzt mit über 3,5 Millionen Menschen über die größte Flüchtlingspopulation der Welt verfügt. Unklar bleibt, warum die EU angesichts der neuen Entwicklung auf Lesbos immer noch untätig bleibt.  

Fast 900.000 Asylbewerber in der EU warten nach Angaben des Europäischen Statistikamts auf die Bearbeitung ihrer Anträge. Die Zahl der anhängigen Anträge auf internationalen Schutz ist nahezu unverändert gegenüber vor zwei Jahren, als sich 1,1 Millionen Migranten auf dem Kontinent befanden. Nach Angaben von Eurostat lag der Auftragsbestand Ende 2018 bei 878.600 Anträgen, wobei Deutschland mit 44 Prozent vor Italien mit zwölf Prozent den größten Anteil an den anhängigen Anträgen hatte.

“Das Leben in der Schwebe ist heute die Norm für Schutzsuchende. Schwebe bedeutet, in den miserablen griechischen EU-Hotspots zu leben oder an den Grenzen gefangen und zurückgedrängt zu werden. Es bedeutet, auf der verzweifelten Suche nach Schutz, um in Menschenwürde zu leben”, zitiert der Guardian Karl Kopp von der privaten Organisation Pro Asyl. 

Neuer Flüchtlings-Korridor ist entstanden

Neben der Türkei ist auch Griechenland überfordert mit der Flüchtlings-Krise. “Seit dem 7. Juli gab es keinen Tag mehr ohne Ankünfte”, sagte der stellvertretende Minister für Bürgerschutz Giorgios Koumoutsakos der Tageszeitung Kathimerini in einem Interview. Allein in Lesbos, dem wichtigsten Ankunftshafen während der Migrantenkrise 2015, seien 44 Prozent mehr Menschen als im Vorjahreszeitraum angekommen. “Der 9. August war einer der schlimmsten Tage in der Sommerperiode für Lesbos, als sechs Boote mit 250 Menschen ankamen”, so Koumoutsakos.

Koumoutsakos sagte, dass von Menschenhändlern ein neuer “Korridor” zwischen der Insel Samothraki und der nordwestlichen Stadt Alexandroupolis auf dem Festland nahe der Grenze zur Türkei geschaffen worden sei. Nach Recherchen der Deutschen Wirtschaftsnachrichten erfolgt das Übersetzen der Flüchtlinge und Migranten nach Griechenland offenbar über den türkischen Nationalpark Gala Gölü in den griechischen Park Evra Deltou, um von dort aus nach Alexandroupolis zu gelangen. Die direkte Strecke vom Nationalpark Gala Gölü bis nach Alexandroupolis beträgt etwas mehr als 20 Kilometer. Wenn man den offiziellen Gehweg nutzen würde, um die offizielle griechisch-türkische Grenze bis nach Alexandroupolis zu überschreiten, wäre der Weg 271 Kilometer lang und würde etwa 55 Stunden dauern. 

Koutmoutsakos fordert eine “erfolgreiche Umsetzung” des Flüchtlings-Deals zwischen der EU und der Türkei, um die Überquerung der Ägäis zu verringern, was “eine Herausforderung und ein Glücksspiel auch für Europa” darstelle. Der Minister fordert zudem eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Staaten.

2018 gingen auf Lesbos und Samos mehr Anträge ein als in Österreich, so Koumoutsakos. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres seien 30.500 neue Anträge eingegangen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft kippt den Bluescreen, doch das wahre Problem bleibt
05.07.2025

Microsoft schafft den berühmten „Blauen Bildschirm“ ab – doch Experten warnen: Kosmetische Änderungen lösen keine...

DWN
Panorama
Panorama So bleiben Medikamente bei Sommerhitze wirksam
05.07.2025

Im Sommer leiden nicht nur wir unter der Hitze – auch Medikamente reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen. Doch wie schützt man...