VW-Markenchef Herbert Diess strebt nach Informationen aus Verhandlungskreisen zusätzliche Kostensenkungen um 3,7 Milliarden Euro im Jahr bis 2021 an. Betriebsratschef Bernd Osterloh will sich darauf ohne feste Zusagen für Produkte und Beschäftigungsgarantien für jeden Standort nicht einlassen, wie aus einem Reuters am Donnerstag vorliegenden Brief der Arbeitnehmervertreter an die Belegschaft hervorging. „Ein Scheitern des Zukunftspaktes ist unverändert möglich, weil uns nach wie vor die wesentlichen Zusagen des Unternehmens fehlen“, schrieb der Konzernbetriebsrat. Er nannte zudem „rote Linien“ für die Verhandlung.
Auf der Betriebsversammlung im Stammwerk Wolfsburg wurde debattiert. Die „Bild“-Zeitung berichtete, Diess sei ausgebuht worden und minutenlang nicht zu Wort gekommen. Er habe etwa Überlegungen zu einer 40-Stunden-Woche in der Entwicklung geäußert. In der aufgeheizten Stimmung sollten die Verhandlungen am Nachmittag weitergehen. Insgesamt ringen seit einigen Monaten mehr als 60 Manager und Betriebsräte in sechs Arbeitsgruppen um die Zukunft von VW.
Die Kernmarke mit ihren 200.000 Beschäftigten in fast 30 Werken weltweit steht schon länger in der Kritik am Kapitalmarkt, weil sie nur wenig Gewinn abwirft. Der Druck zur Kostensenkung steigt mit den Milliardenlasten aus dem Dieselabgasskandal sowie massiven Investitionen in Elektroautos und neue digitale Dienste. Die beschleunigte Umstellung auf batteriebetriebene Fahrzeuge führt zu einem Umbau der Produktion, die derzeit fast völlig auf die viel arbeitsintensiveren Verbrennungsmotoren ausgerichtet ist.
Altes Sparprogramm erst zur Hälfte umgesetzt
Um diese Kosten zu stemmen, will Diess zwei Insidern zufolge bis 2020 eine operative Rendite von vier Prozent erreichen. Die bisher angestrebten sechs Prozent, die viele Analysten noch für zu niedrig erachten, rücken damit weiter in die Ferne. Das Gewinnziel will der als Kostendrücker schon bei BMW bekannt gewordene Manager mit 3,7 Milliarden Euro Einsparungen im Jahr erreichen. „Es gibt eine Zahl, die heißt 3,7 Milliarden Euro bis 2021“, sagte eine mit den Beratungen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Davon soll der Großteil von drei Milliarden Euro an den deutschen Standorten hereingeholt werden.
Ein zweiter Insider bestätigte, bei dieser Summe handele es sich um neue Effizienzsteigerungen über das seit zwei Jahren laufende Programm „Future Tracks“ hinaus. Dieses sah eine Senkung der jährlichen Kosten um fünf Milliarden Euro ab 2017 vor. Davon sei jedoch erst grob die Hälfte realisiert, erklärten beide Insider. Unternehmen und Betriebsrat äußerten sich dazu nicht.
Eigentlich wollten die Verhandlungsparteien bis Ende des Monats auf einen Nenner kommen, weil der Aufsichtsrat am 18. November den neuen Fünfjahresplan mit den Budgets für alle Konzernmarken beschließen soll. „Derzeit sind wir noch ein gutes Stück von einer Einigung mit dem Unternehmen entfernt“, schrieb der Betriebsrat. Die Verhandlungen steckten fest, weil sich keine Seite bewege, sagte ein Insider. Das Management wolle die vom Betriebsrat geforderten Zusagen zur Investitionsplanung nur machen, wenn die Arbeitnehmer zu dem Einsparvolumen bereit seien. Osterloh und seine Kollegen beschlossen dazu rote Linien. „Keine betriebsbedingten Kündigungen bei Volkswagen“, lautet eine. Bestehende Tarifverträge sollen nicht angetastet, Stellenabbau nur über Altersteilzeit abgebaut werden. „Der Zukunftspakt ist mehr als ein reines Effizienzprogramm.“