Deutschland will den Stromhandel mit Österreich wegen Netzengpässen an der Grenze notfalls einschränken. Die Bundesnetzagentur wies die vier Übertragungsnetzbetreiber am Freitag an, ein sogenanntes Engpass-Management vorzubereiten. Ab Juli 2018 soll dies dann greifen können. Es geht um etwa zehn Prozent des Handelsvolumen, das wegen fehlender Netze eigentlich nicht abgewickelt werden könnte.
Die Folge könnte eine drastische Preissteigerung für die österreichischen Konsumenten sein. Die Wiener Zeitung Presse schreibt: "Eine solche Markttrennung wird hierzulande zu höheren Verbraucherpreisen führen und damit sowohl die privaten Haushalte als auch die österreichische Industrie belasten. Darüber sind sich alle Experten einig. Sie rechnen mit einem empfindlichen Anstieg des Strompreises von bis zu zehn Prozent." Allerdings ist nicht zu erwarten, dass der Strompreis über Nacht erhöht wird.
Die Entscheidung ist eine Folge einer überraschenden EU-Regulierung: Die europäische Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden
(ACER) hat die Trennung des deutschen und österreichischen Strommarkts, der seit dem Jahr 2001 besteht, beschlossen. Nach Informationen der Presse wird dies zu einer enormen Erhöhung der Strompreise in Österreich führen. Es wird mit einer Erhöhung von etwa zehn Prozent gerechnet. Unklar bleibt, ob es Anfechtungsmöglichkeiten gibt. Denn nach EU-Recht ist eine Vereinheitlichung des europäischen Strommarkts anzustreben. Deutschland und Österreich galten bisher als EU-Vorbilder beim Aufbrechen der nationalen Strommärkte. Auslöser dieses Schritts sollen die schlechten Strommnetze in Polen und Tschechien sein. Denn der Strom wurde von Deutschland über Polen und Tschechien nach Österreich transportiert. Es drohte ein totaler Netzzusammenbruch. Deshalb fordern Prag und Warschau seit einer geraumen Zeit des einheitlichen Strommarkts von Österreich und Deutschland.
In Österreich wollen zahlreiche Marktteilnehmer die Entscheidung anfechten.
Hintergrund ist ein jahrelanger Streit mit Österreich um den Stromhandel.
Zwischen Deutschland und Österreich kann theoretisch unbeschränkt Strom gehandelt werden, obwohl die Netz-Kapazitäten an der Grenze begrenzt sind. Dies ist historisch bedingt und eine Ausnahme im europäischen Stromhandel, der sich praktisch an allen Grenzen nach den Leitungskapazitäten richtet.
Aufgrund der niedrigen Großhandelspreise in Deutschland - auch durch Förderung und Ausbau des Ökostroms - wird jedoch immer mehr Energie exportiert. Österreich ist auch deshalb ein großer Kunde, weil zu Zeiten besonders niedriger Preise die Wasserkraftwerksbetreiber wie Verbund kaufen und mit dem Strom das Wasser den Berg hinauf pumpen. In Zeiten höherer Preise wird das Wasser wieder abgelassen, Strom erzeugt und zurück nach Deutschland geliefert.
Wovon Österreich mit niedrigen Stromtarifen profitiert, ist für die deutsche Seite häufig ein Ärgernis: Wenn der Strom wegen fehlender Netze nicht geliefert werden kann, muss Deutschland Reservekraftwerke in Österreich mieten, die dann die Kunden beliefern. Die Kosten tragen alle deutsche Stromkunden über die Netzumlage. Bezahlen müssen sie auch Kraftwerke auf der deutschen Seite, die eigentlich liefern wollten, aber wegen der Engpässe nicht können. Dies macht geschätzt mehrere Hundert Millionen Euro pro Jahr aus.
Die Bundesregierung will mit der angedrohten Begrenzung nun Druck aufbauen, um mit Österreich doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Sie reagiert damit auch auf Beschwerden aus Polen und Tschechien, da Strom häufig über diesen Umweg wegen der Netzengpässe nach Österreich fließt. So werden aber auch in Osteuropa die Leitungen teils überlastet.